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Grüningen
23.05.2025
22.05.2025 20:24 Uhr

«Es wäre eine Chance für Grüningen»

Die Investoren Christian Collenberg (links) und Marcel Wieduwilt im Gespräch mit Zürioberland24.
Die Investoren Christian Collenberg (links) und Marcel Wieduwilt im Gespräch mit Zürioberland24. Bild: Martina Gradmann
Marcel Wieduwilt und Christian Collenberg sind Erbauer und Inhaber des Fahreinheit-Gebäudes in Grüningen. Jetzt wollen sie mit ihrer Firma Gruono Immobilien AG, welche sich in Gründung befindet, Gemeindeland im Baurecht übernehmen und darauf ein Gebäude erstellen mit Gemeinde- und Schulverwaltung als feste Mieter. Die beiden Investoren sind überzeugt, dass dies ein Gewinn für Grüningen bedeuten würde.

Ende April 2025 gab der Gemeinderat Grüningen überraschend über die Gemeinde-Website bekannt, dass er ein gemeindeeigenes Grundstück im Baurecht an die Firma Gruono Immobilien AG vergeben möchte, damit diese ein Gebäude bauen kann, wo Gemeinde- und Schulverwaltung als Ankermieter einziehen würden. Die Begründung: Das Gemeindehaus müsse in nächster Zeit umfassend saniert und behindertengerecht ausgebaut werden. Auch sei der Platz mittlerweile eng in dem Verwaltungsgebäude.

Nur wenige Tage später, am 7. Mai 2025, luden der Gemeinderat und die Investoren zu einem Informationsanlass, der äusserst gut besucht wurde. Die Grüningerinnen und Grüninger hatten viele Fragen. So kam unter anderem die Frage auf, was denn mit dem Gemeindehaus passieren würde. Es wurde klar: Die Bevölkerung hängt am Gemeindehaus.

Wir haben bei den Investoren nachgefragt, was genau ihre Pläne mit dem Gebäude in der Grüninger Industrie sind.

Zürioberland24: Sie beide wollen Land von der Gemeinde im Baurecht übernehmen und ein Büro- und Verwaltungsgebäude darauf erstellen. Was ist Ihre Motivation?

Christian Collenberg: Wir durften als Investoren das Fahreinheit-Gebäude, auch dank der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit den Behörden, realisieren. Heute kennt man uns. Mit unserem Angebot, ein Gewerbe- und Bürohaus zu bauen, wollen wir die Gemeinde Grüningen unterstützen.

Kam diese Anfrage von der Gemeinde?

Marcel Wieduwilt: Wir waren betreffend verschiedener Abklärungen auf der Gemeinde und erfuhren, dass das Gemeindehaus für rund vier Millionen Franken saniert werden müsse. Wir haben darlegen können, dass man für diesen Betrag auch etwas Neues bauen könnte. Wir haben uns gefragt, wo ein neues Büro- und Verwaltungsgebäude Platz haben könnte.

Schnell kam die Idee des heutigen Parkplatzes beim Werkhof auf, ein Grundstück, das im Besitz der Gemeinde ist. Unsere Absicht ist, dieses im Baurecht zu übernehmen und darauf das neue Gemeindehaus zu realisieren. Wenn man zehn Jahre weiterdenkt, den Verkehr und das Bevölkerungswachstum berücksichtigt, gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten in Grüningen, wo man sonst ein Gebäude bauen könnte.

«Wenn man zehn Jahre weiterdenkt, den Verkehr und das Bevölkerungswachstum berücksichtigt, gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten in Grüningen, wo man sonst ein Gebäude bauen könnte.»
Marcel Wieduwilt

Gibt es in Grüningen genügend Nachfrage für solche Büroflächen?

Collenberg: Wir möchten insgesamt 3'300 m2 Bürofläche bauen. Davon werden Gemeinde- und Schulverwaltung 950 m2 mieten. Zusätzlich sind wir im Gespräch mit dem Notariat im Stedtli. Dort werden die Anforderungen an die Räumlichkeiten auch nicht erfüllt. Das Interesse ist da und ein Projekt ist angestossen.

Wir haben auch Gespräche mit dem Kanton geführt, damit allenfalls weitere kantonale Stellen in Grüningen konsolidiert werden könnten, und auch betreffend medizinische Grundversorgung finden Gespräche statt. Wenn man das alles zusammennimmt, wäre knapp die Hälfte der Fläche schon ausgemietet.

Wieduwilt: Solange die Absicht des Gemeinderates nicht offiziell war, konnten wir auch noch nicht die entsprechenden Gespräche mit interessierten Mieterinnen und Mietern führen. Uns waren vor der Informationsveranstaltung die Hände gebunden. Jetzt können wir aber offen auf die Interessenten zugehen. Natürlich sind noch keine Verträge unterschrieben, dazu muss zuerst die Gemeindeversammlung der Abgabe dieses Landes im Baurecht zustimmen.

Wie genau sieht das geplante Gebäude aus?

Collenberg: Vier Volletagen und ein Attikageschoss. Jede Volletage hat rund 700 m2, das Attikageschoss hat rund 400 m2. Der Zugang zu diesen Geschossen wird so geplant, dass auch Kleinflächen mietbar sind. Wir haben hier ländliche Strukturen und ein ländliches Gewerbe, es ist also durchaus möglich, auch kleinere Flächen zu mieten. Wir können jede Etage so unterteilen, dass es auch Platz für das Kleingewerbe hat.

Und mit Gemeinde- und Schulverwaltung als feste Mieter.

Collenberg: Als Investoren haben wir auf die Ankündigung, vier Millionen müssten in das Gemeindehaus investiert werden, reagiert. Ich habe in meinem Leben mehr renoviert als neu gebaut und weiss, was es heisst, geschützte Gebäude zu erneuern. Eine zuverlässige Kalkulation ist äusserst schwierig und politische Debatten für Nachtragskredite leider nicht ungewöhnlich. Mit dieser Erfahrung war klar, dass eine Investition von vier Millionen wohl eher defensiv gerechnet ist.

Doch das Gebäude gehört der Gemeinde, also den Bürgerinnen und Bürgern.

Collenberg: Das bleibt auch im Besitz der Gemeinde. Doch bevor die Gemeinde vier Millionen Franken aufnimmt, um ein altehrwürdiges, aber eigentlich wenig geeignetes Gebäude zu sanieren, müssen Alternativen überlegt werden. Die Investitionsplanung der Gemeinde gilt hier als zusätzliche Basis für solche Überlegungen.

«Ich habe in meinem Leben mehr renoviert als neu gebaut und weiss, was es heisst, geschützte Gebäude zu erneuern.»
Christian Collenberg

Die Grüningerinnen und Grüninger hängen am Gemeindehaus. Das wurde am Informationsanlass deutlich.

Collenberg: Ich kann gut verstehen, dass die Bevölkerung an ihrem geschichtsträchtigen Gemeindehaus hängt. Das Gebäude würde ja nicht abgerissen. Vielmehr böte sich die Möglichkeit für alternative Nutzungen. Welche Gemeinde hat innerhalb der Mauern eines bald 1000-jährigen Stedtlis diese Freiheit?

Doch genau das wollen die Grüningerinen und Grüninger wissen: Was passiert mit dem Gemeindehaus? Wenn das nicht geklärt ist, wird das Geschäft wohl kaum durchgehen.

Collenberg: Das verstehen wir voll und ganz.

Wieduwilt: Wir sprechen hier nicht von einer Notsanierung. Es ist keine Eile geboten. Durch die Informationsveranstaltung haben wir wichtige Feedbacks bekommen. Die Klärung der Nutzung des Gemeindehauses hat sicher Priorität.

Fragen gab es auch zu den Parkplätzen beim Werkhof. Wie sieht das im neu geplanten Gebäude aus?

Collenberg: Wir planen, in Abstimmung mit den Bauvorgaben, zwei Untergeschosse mit je 40 Parkplätzen sowie rund 20 Aussenplätzen.

«Durch die Informationsveranstaltung haben wir wichtige Feedbacks bekommen. Die Klärung der Nutzung des Gemeindehauses hat sicher Priorität.»
Marcel Wieduwilt

Wie muss man sich die Dimensionen dieses neuen Gebäudes vorstellen?

(Die beiden zeigen ein Grüninger Modell mit dem Fahreinheit Gebäude und dem geplanten Neubau)

Wieduwilt: Es wird wesentlich kleiner als das Fahreinheit-Gebäude, etwa gleich hoch, aber nur halb so breit. Auch von der Grundfläche her wird es ungefähr die Hälfte des Fahreinheit-Gebäudes aufweisen.

Collenberg: Grüningen ist mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet. Sollte die Calatrava-Brücke realisiert werden, würde das eine zusätzliche bauseitige Aufwertung bedeuten. Die Esslingerstrasse ist wie ein Eingangstor nach Grüningen. Wir hatten von Beginn weg vor, dem Wert und der Ästhetik zu folgen. Und das ist auch unser Anspruch an das neue Gebäude.

Wieduwilt: Wir haben auch schon beim Fahreinheit-Gebäude stark auf die optische Gestaltung geachtet. So haben wir beispielsweise Grünschiefer verwendet, der gut zu Grüningen passt.

Die Gemeinde wird einen Mietvertrag über 20 Jahre abschliessen, mit der Möglichkeit, diesen zu verlängern. Bleibt der Mietzins dann gleich hoch?

Collenberg: Der Baurechtszins ist indexiert, folge dessen müssen wir den Mietzins auch indexieren. Teuerung und Hypothekarzinsentwicklung müssen wir berücksichtigen.

Wieduwilt: Wir zahlen einen Baurechtszins an die Gemeinde und die Gemeinde zahlt uns einen Mietzins. Beide verlaufen parallel. Geht der Baurechtszins hoch, geht auch der Mietzins hoch.

«Grundsätzlich bietet das Gebäude auch Möglichkeiten für neue Shops oder eine Bankfiliale.»
Marcel Wieduwilt

Was in Grüningen fehlt, ist bezahlbarer Wohnraum, und es hat immer weniger Läden. Bank und Post sind verschwunden, es fehlt die Infrastruktur. Da fragen sich viele, ob es ein solches Verwaltungsgebäude braucht.

Collenberg: Wir würden auch gerne Wohnungen bauen, aber dort ist Industriezone, die man umzonen müsste. Das würde Jahre dauern und sicher nicht einfach sein. Wir würden gerne Büro und Wohnen verbinden, das ist hier aber nicht möglich.

Wieduwilt: Das Grundstück befindet sich in der Industriezone, aber grundsätzlich bietet das Gebäude auch Möglichkeiten für neue Shops oder eine Bankfiliale.

Collenberg: Der Trend im Detailhandel geht weg von den grossen Einkaufszentren hin zu kleineren, lokalen Läden. Neue Gebäude bieten immer neue Ideen. Grüningen böte auch weiteren Anbietern aus Handel und Dienstleistung Raum.

Das Gemeindehaus bleibt ein «Brocken» und wer diese Sanierung stemmen kann, ist noch nicht klar.

Collenberg: Ja, das bleibt eine Herausforderung. Ich persönlich finde das Gemeindehaus ein wunderschönes Gebäude und hoffe, dass sich dafür eine Lösung findet. Leider bremsen oft Schutzvorschriften, die immer strenger werden, kreative Ideen, doch bin ich überzeugt, dass das vielleicht bald ehemalige Gemeindehaus ideal umgenutzt werden kann.

«Die Informationsveranstaltung hat klar aufgezeigt, wo die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Gemeinde sind. Diese Bedürfnisse müssen jetzt abgearbeitet werden.»
Christian Collenberg

Sie sind beide nicht aus Grüningen. Was bedeutet Ihnen das Dorf?

Collenberg: Ich kannte Grüningen als wunderschönes Stedtli mit viel Charme. Als ich dann entdeckt hatte, dass ich mit Marcel Wieduwilt die Fahreinheit realisieren kann, war das der Startschuss für eine neue persönliche Nähe zu Grüningen.

Grüningen ist eine überschaubare Landgemeinde, in der noch Werte gelebt werden. Man ist hier nicht abgehoben, sondern bodenständig. Das spürt man auch in der Zusammenarbeit mit den Behörden und der Nachbarschaft, mit denen wir ein sehr gutes Einvernehmen pflegen. Man spürt den Willen der Kooperation, für ein Miteinander statt ein Gegeneinander. Dies haben wir auch im Zusammenschluss vieler Liegenschaften an unser Fernwärmenetz kennen gelernt.

Wieduwilt: Christian wohnt in Maur und ich in Erlenbach. Aufgewachsen bin ich allerdings im Zürcher Oberland und habe in Wetzikon meine ganze Kantonsschulzeit verbracht. Meine Schulkolleginnen und -kollegen sind alle aus dem Oberland und mein Vater wohnt heute noch im Tösstal. Für mich ist es nach Jahren im Ausland ein bisschen ein Zurückkommen. Ich habe zwar nie in Grüningen gewohnt, fühle mich aber im Zürcher Oberland zuhause.

Hat die Gemeinde das Vorhaben schlecht kommuniziert?

Collenberg: Ich bin der Überzeugung, dass die jetzige Ausgangslage gut ist, weil sie klar aufgezeigt hat, wo die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Gemeinde sind. Diese Bedürfnisse müssen jetzt abgearbeitet werden.

Wieduwilt: Es war kurzfristig aufgegleist. Man ist jedoch davon ausgegangen, dass die Bevölkerung die Kostenneutralität goutiert. Das war wohl eine Fehleinschätzung. Dieses Feedback haben wir bekommen und können diese Bedenken nun aufnehmen. Wenn uns die Umsetzung des Projekts zusammen mit der Gemeinde gelingt, freut uns das. Wir bieten Hand für eine zukunftsweisende Lösung. Investitionen müssen getätigt werden. Wir schreiben das Alte nicht ab, sondern setzen auf eine Alternative. Wir wollen erhalten, nicht zerstören, bieten der Gemeinde eine neue Perspektive. Im wahrsten Sinn des Wortes, indem wir das neue Gemeindehaus ausserhalb der ehemaligen Stadtmauern planen und so im Innern Platz für Neues schaffen.

Martina Gradmann