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Wetzikon
06.07.2023
07.07.2023 09:39 Uhr

Revisiting Hans Georg Nägeli – die Fünfte

Andrea Schmid und alle Gäste der bisherigen Abendvorträge erörtern die Bedeutung von Hans Georg Nägeli heute.
Andrea Schmid und alle Gäste der bisherigen Abendvorträge erörtern die Bedeutung von Hans Georg Nägeli heute. Bild: GG
Die fünfte und letzte Veranstaltung der Reihe «Revisiting Hans Georg Nägeli» fand am 30. Juni 2023 in der reformierten Kirche Wetzikon statt. Dabei erörterten die Gäste der vergangenen Abendvorträge die Bedeutung von Hans Georg Nägeli.

Historiker und Musiker Andrea Schmid als Gastgeber begrüsste das Publikum zum letzen Mal zum Thema «Nachlass und Erbe» und knüpfte kurz noch an die vergangenen Revisiting-Veranstaltungen an.

Der erste Teil des Abends ist dem Nachlass von Hans Georg Nägeli in der Musikabteilung der Zentralbibliothek Zürich (ZB) gewidmet. Zu Gast war Dr. Eva Martina Hanke, Musikwissenschaftlerin und wissenschaftliche Bibliothekarin. Sie betreut in der ZB die Aktivitäten rund um Nägelis Nachlass – vom Katalogisieren, Restaurieren und Digitalisieren bis hin zu Publikations- und Ausstellungs-Projekten. 

Rund 3000 Nägeli-Briefe

Der grösste Teil des Nachlasses von Hans Georg und seinem Sohn Hermann Nägeli liegt in der Musikabteilung. Rund 3000 Nägeli-Briefe, welche grösstenteils stabilisiert und restauriert wurden, sind in verschiedenen Spezialsammlungen zu finden. Er beinhaltet unter anderem handgeschriebene Musiknoten und Drucke, Geschäftsakten, Bilder und historische Postkarten.

Komplexer Nachlass

Es brauche Mut und Durchhaltevermögen, Nägelis Nachlass nachzuforschen, da dieser komplex und facettenreich sei, meinte Andrea Schmid. Dieser befindet sich in einigen Laufmetern Archivschachteln,  davon nehmen ungefähr die Hälfte des Platzes seine Noten ein. Meistens sind darin Lieder, sehr wenig Orchester- und Klavierwerke und noch etwas Harfenmusik zu finden.

Eine weitere Herausforderung sei auch, Nägelis Handschrift zu eruieren, erzählte Hanke. Ehrenamtliche Wissenschaftler hätten sie dabei unterstützt. Auch hätten Versuche, mit automatischer Texterkennung zu arbeiten, gestartet. Es gäbe natürlich auch die Möglichkeit für alle Anwesenden in der Zentralbibliothek mitzuarbeiten, meinte der Gastgeber schmunzelnd.

Biografie und Ausstellung

Hanke weist auf die kürzlich erschienene Nägeli-Biografie von Markus Stählin hin. Sie zeige sehr differenziert, wie dieser Nachlass zustande gekommen sei. Auch seien ab nächster Woche unter anderem gedruckte Noten und handschriftliche Briefe zu sehen. Darunter befinden sich auch Abschriften seines Sohnes. Vieles sei heute bereits digitalisiert worden und man könne schon einiges online über Nägeli recherchieren, weiss Hanke.

Gefühlvolle Vokalmusik

Els Biesemans am Hammerklavier und Bariton Samuel Zünd gestalteten den musikalischen Teil des Abends mit gefühlvoller Vokalmusik. Auch begeisterte Els Biesemans das Publikum mit solistischem, virtuosen Spiel. Für den zweiten Teil des Abends kamen nochmals alle vergangenen Gäste, Claudia Fischer-Karrer, Prof. Dr. Inga Mai Groote, Prof. Dr. Antonio Baldassare, Prof. Dr. Friedhelm Brusniak (zugeschaltet) und Dr. Eva Hanke in die Runde und erörterten die Bedeutung von Hans Georg Nägeli heute – sein Erbe.

Gesangsfeste, wie sie heute immer noch stattfinden, finden den Ursprung bei Nägeli. Er organisierte 1843 das erste Gesangsfest mit Fahnenburg in Zürich. Diese Zusammenkünfte seien heute wieder sehr aktuell, was auch das Jugendgesangs-Festival im vergangenen Mai 2023 in Basel zeigte.

Frauenförderer Nägeli

Diskutiert wurde an dem Abend auch die Bedeutung der Politik von Nägeli, die er in die Musik einfliessen liess, und dass dieser Punkt in der Gegenwart nichts an Bedeutung verloren habe. Vor allem die Männergesangsbewegung sei eine hochpolitisierte Bewegung gewesen. Deshalb sei die Mitwirkung von Frauen enorm wichtig, gerade wenn es um Emanzipationsfragen gehe, beteuerte Brusniak.

Nägeli habe auch immer die Frauenstimmen gefördert. Jedoch sei die Geschichte der musizierenden Frauen zu wenig erforscht und schlecht dokumentiert. Sie begleiteten nämlich bereits in dieser Zeit nicht nur am Klavier, sondern auch damals hätten sie gesungen und dirigiert.

«Natürlich ist sehr viel passiert in den letzten Jahrzehnten, und das ist gut so. Wenn ich den Aspekt Mädchenchöre-Mädchenkantoreien anschaue und mit welchem Tempo sie Leistung erbringen, dann wird auch dem Letzten klar geworden sein, dass diese Bewegung keineswegs nur von männlichen Gruppen vorangetrieben wird. Das ist nun wirklich im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte», stellte Brusniak leidenschaftlich dar.

Nägelis Spuren in Wetzikon

Nägelis Spuren sind in Wetzikon sehr vielfältig. Sie waren aber zumindest bis vor diesem Jubiläumsjahr nur wenigen bekannt gewesen. Wenn man jedoch heute die Augen für Nägeli öffnet, sieht man einiges: zum Beispiel Nägelibüsten bei der reformierten Kirche und dem Guldislooplatz, Strassennamen, das Pfarrhaus, wo er aufgewachsen ist.

Aufwand hat sich mehr als gelohnt

«Hat sich der Aufwand für die Revisiting-Serie gelohnt?», fragte Andrea Schmid die Gäste. Alle waren sich einig, dass es sich mehr als nur gelohnt habe, über diese herausragende Persönlichkeit zu sprechen. Zu versuchen, ihn zu verstehen, darüber hinaus zu sehen und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Das Ineinandergreifen der verschiedenen Aspekte und diese immer mit im Blick zu haben, sei Nägeli damals wichtig gewesen und habe auch heute nichts an Bedeutung verloren.

Die Anlässe hätten auch viel dazu beigetragen, die Bedeutung Hans Georg Nägelis einer breiteren Öffentlichkeit verständlich zu machen. Alle Gäste freuten sich, dass Wetzikon es gewagt hat, diesen wichtigen Weg für die kulturelle Teilhabe zu gehen und damit auch in die Zukunft geschaut hat.

Dank an die Nägeli-Fangemeinde

Andrea Schmid bedankte sich bei allen Gästen, bei den Mitwirkenden, beim Publikum und auch beim Verein HGN250 unter der Führung von Beat Meier und Roy Schedler für die Initiative.

Beat Meier, Präsident des Vereins HGN250, übernahm das Schlusswort und bedankte sich bei der Nägeli-Fangemeinde. «Vieles haben wir gehört und gelernt, was uns Nägeli zu sagen hat. Seine Aussagen haben auch heute nichts an Aktualität verloren. Mit der heutigen Veranstaltung ist der Bogen in die heutige Zeit gespannt. Wir haben wunderbare Musik gehört, es wurde gesungen und auf Instrumenten gespielt. Genau so wie sich das Nägeli immer gewünscht hat!»

www.hgn250.ch

Gabriela Gasser