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21.05.2022
22.05.2022 13:17 Uhr

Wie gut ist das Velo-Netz im Zürcher Oberland?

Die Landschaft mit Feldern, Hügeln und Bergen machen das Velofahren im Zürcher Oberland attraktiv. Aber es gibt Verbesserungspotenzial.
Die Landschaft mit Feldern, Hügeln und Bergen machen das Velofahren im Zürcher Oberland attraktiv. Aber es gibt Verbesserungspotenzial. Bild: pixabay.com
In einer Schweizweiten Umfrage, hat Pro Velo Schweiz erst kürzlich Schweizer Städte auf ihre Velotauglichkeit überprüft. Doch während sich kleinere und grössere Städte wie Burgdorf, Winterthur, Bern und Basel bemühen, ihre Veloinfrastruktur zu verbessern, sind viele Gemeinden im Zürcher Oberland noch lange nicht so weit.

Wer einmal in Amsterdam oder Kopenhagen war, weiss, Velofahrer:innen haben Vortritt. Frauen, Männer und Kinder – alle fahren Velo und benutzen dieses auch zum Einkaufen oder für den Weg zur Arbeit. Breite Velostreifen oder abgetrennte Velofahrbahnen machen die Fahrten sicher und attraktiv. Doch davon ist die Schweiz noch weit entfernt.

Schweiz ein Entwicklungsland

Das Ausland mache es vor, wie Velofahren sicher gestaltet werden könne, sagt Pro-Velo-Präsident Matthias Aebischer, doch in dieser Hinsicht bleibe die Schweiz ein Entwicklungsland.

Erst am 9. März hatte der Nationalrat die letzten Differenzen beim Veloweggesetz aus dem Weg geräumt und das Gesetz auf den Weg gebracht. Das Velogesetz verpflichtet die Kantone, innert fünf Jahren ein Velowegnetz zu planen und dieses innert weiteren 15 Jahren zu realisieren. Das Gesetz definiert verschiedene Grundsätze, wie dies zu erfolgen hat: Velowegnetze müssen zusammenhängend und durchgehend sein, die Wege sollen sicher und attraktiv sein. 

Aebischer erwartet die längst fällige Planung sicherer und attraktiver Velowegnetze: «Die Kantone und Gemeinden haben jetzt den klaren Auftrag der Stimmbevölkerung und des Parlaments, ein lückenloses und sicheres Netz zu planen und zu bauen.»

Amsterdam ist eine DER Velo-Städte in Europa. Bild: Martina Gradmann

Es braucht den politischen Willen fürs Velo

Wie die jetzige Umfrage von Pro-Velo allerdings gezeigt hat, besteht in vielen Kantonen und Städten nach wie vor grosser Handlungsbedarf. «Oft wird gewartet, bis eine Strassensanierung nötig wird, doch der Kanton ist daran, die Veloweg-Lücken zu schliessen», weiss Marco Lazzarotto, von VELOPMENT, der Gemeinden in Sachen Veloförderung berät.

Der 53-jährige Zürcher Oberländer ist ein passionierter Velofahrer und hat schon unzählige Kilometer im Zürcher Oberland abgeradelt. Im Frühling 2020 gründete er die Firma VELOPMENT, schloss im Juni 2021 das Studium zum Fuss- und Radverkehrsspezialisten an der Ostschweizer Fachhochschule (OST) in Rapperswil ab und befindet sich aktuell im Studiengang "Nachhaltige Mobilität".

Velonetz für 8 – 80-Jährige

Gemeinden könnten selbst aktiv werden, sagt Lazzarotto. Es brauche allerdings den politischen Willen, etwas fürs Velo zu tun. Kommt eine Gemeinde auf ihn zu, überprüft er das bestehende Strassennetz auf Velofreundlichkeit und zeigt der Gemeinde die Stärken wie auch die Schwächen der Infrastruktur auf.

Da der Kanton Zürich gemäss Veloförderprogramm ein Velonetz für 8 – 80-Jährige entwickeln möchte, liegt der Fokus auch auf den schwächeren Velofahrenden. Schulkinder sollen sich ebenso sicher mit dem Velo im Dorf bewegen können wie Seniorinnen und Senioren. Anhand der Analyse und einer Beratung könnten sich die Verantwortlichen der Gemeinde ein Bild der aktuellen Situation für die Velofahrenden machen.

«Oft wird gewartet, bis eine Strassensanierung nötig wird. Doch der Kanton ist daran, die Veloweg-Lücken zu schliessen.»
Marco Lazzarotto, Velopment

Alternativ-Routen zu den Hauptstrassen

Doch wie sieht die Situation im Zürcher Oberland aus? Grundsätzlich gibt es im Oberland ein grosses Potential für die Veloförderung und dank dem E-Bike-Boom, spielt auch die Topografie nur noch eine untergeordnete Rolle.

Arbeitswege von bis zu 15 Kilometern sind mit dem E-Bike gut zu meistern. Es gibt viele verkehrsarme Strassen und idyllische Landschaften mit Seen und Bergen. Auch bei Seniorinnen und Senioren ist ein regelrechter E-Bike-Hype ausgebrochen. Viele nutzen das Gefährt für Ausflüge, welche gleich auch noch die Gesundheit fördern.

«Das Hauptproblem liegt in den Dörfern auf den verkehrsreichen Hauptstrassen ohne Veloinfrastruktur. Der Kanton plant bei der Sanierung aber in der Regel innerorts nur Velostreifen, welche keinen physischen Schutz vor dem Verkehr bieten und für schwache Velofahrende immer noch nicht genügen», sagt Lazzarotto.

«Sobald ein Velostreifen markiert ist, dürfen auch die Schulkinder bis 12 Jahre gemäss Gesetz nicht mehr auf dem Trottoir Velo fahren. Sie werden also ohne Schutz in den Verkehr gezwungen. Ich sehe hier keine Verbesserung der Sicherheit.»
Marco Lazzarotto, Velopment
Marco Lazzarotto berät Gemeinden für sichere Velo-Routen. Bild: Velopment

Verbesserungspotential bei Velo-Parkieranlagen

Ein Lösungsansatz sieht er darin, in den Ortskernen Alternativ- Routen zu den Hauptachsen auf untergeordneten Quartierstrassen als Velorouten auszuscheiden (verkehrs- und tempoberuhigt) und zu markieren, damit sich auch Kinder und schwächere Velofahrende sicher im Dorf bewegen können und nicht die verkehrsreichen Hauptstrassen befahren müssen.

«Ein grosses Verbesserungspotenzial sehe ich bei den Velo-Parkieranlagen bei öffentlichen Gebäuden, Plätzen oder Einkaufsläden. Diese sind häufig in einem sehr schlechten Zustand, oft ungeeignet, nicht sicher oder schlichtweg nicht vorhanden. Als Velofahrer fühlt man sich manchmal einfach nicht willkommen, wenn man sein schönes Velo oder E-Bike in einen 50-jährigen Bögliständer oder einen ungeeigneten Werbeständer zwängen sollte», so Lazzarotto.

Beleuchteter Radweg in Dürnten

In Dürnten beispielsweise nutzt der Kanton die Sanierung der Kantonsstrasse, um mit einem neuen Veloweg entlang der Oberdürnter- und Pilgerstegstrasse die Sicherheit für Velofahrende zu erhöhen (Zürioberland24 berichtete). Aufgrund des kantonalen Richtplans, des kantonalen Velonetzplans und des Radwegkonzepts des Kantons, soll die Radweglücke zwischen Dürnten und dem Kreisel Walderstrasse in Oberdürnten geschlossen werden.

In einer Medienmitteilung schreibt er dazu: «Das Projekt umfasst den Neubau eines Rad-/Gehwegs zwischen dem Katzentobelweg in Dürnten und dem steilen und kurvigen Abschnitt Pilgersteg in Oberdürnten. Im Bereich Pilgersteg soll die Fahrbahn so verbreitert werden, dass für die bergwärts fahrenden Velofahrenden vom Kreisel Walderstrasse bis zum neuen Rad-/Gehweg ein Radstreifen von 1,75 Meter Breite markiert werden kann.»

Noch mindestens bis im Juli 2022 sollen die Bauarbeiten im Gang sein, denn gleichzeitig mit diesen Bauarbeiten werden einzelne Abschnitte des 3,1 Kilometer langen Streckenabschnitts instandgesetzt. Zudem wird die Gemeinde Dürnten auf eigene Rechnung zwischen Dürnten und Oberdürnten eine Beleuchtung für den neuen Radweg installieren.

  • In Oberdürnten ist ein grosser Teil des Veloweges schon realisiert. Bild: Martina Gradmann
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  • Beim Pilgersteig in Oberdürnten wird momentan an einem weiteren Teilstück des Veloweges gebaut. Bild: Martina Gradmann
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Wetzikon: 6 Millionen für Fuss- und Radweg-Infrastruktur

Mit 5'404 Ja-Stimmen zu 3'194 Nein-Stimmen befürwortete die Wetziker Stimmbevölkerung neulich den Gegenvorschlag zur Volksinitiative "Fuss- und Veloweginitiative" mit einem Rahmenkredit von 6 Millionen Franken (Zürioberland24 berichtete).

Die Massnahmen zu den bereits erfassten Schwachstellen sollen bis 2028 umgesetzt werden. Mit einem verbesserten Velo- und Fusswegnetz gewinne die Stadt Wetzikon an Attraktivität als lebenswerter Wohn- und attraktiver Arbeitsort, so die Stadt.

Prix Velo: Uster belegt 2. Platz

Der Verein «Pro Velo» hat zum fünften Mal den «Prix Velo Städte» vergeben. Die Stadt Uster hat den zweiten Platz in der Kategorie der mittelgrossen Städte gewonnen. Die Befragung durch Pro Velo zeigt gemäss Stadt Uster, dass in der Schweiz noch viel für Sicherheit und Komfort für den Veloverkehr getan werden kann.

Stadtrat Stefan Feldmann, Vorsteher der Abteilung Bau, sieht die erreichte Note auch als Ansporn für weitere Verbesserungen bei der Veloinfrastruktur. Mit der Note «genügend» dürfe man sich aber natürlich nicht zufrieden geben. Mit der Annahme des Rahmenkredits zur Veloinitiative durch die Ustermer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Februar 2020, habe die Stadt Uster einen klaren Auftrag zum Ausbau von sicheren und attraktiven Velorouten bekommen: «Es bleibt noch viel zu tun», so Feldmann.

Schwachstellen in den Dörfern

Viel Potential gibt es laut Lazzarotto auch in und um Grüningen. Der passionierte Radfahrer hat viele Jahre im Landstädchen gelebt und unzählige Routen abgefahren. Während die Strecke von Grüningen nach Esslingen als Schwachstelle im kantonalen Velonetz bekannt sei, werde auf der Route Grüningen-Hombrechtikon nun ein Veloweg geplant. «Die Hauptstrasse durch Grüningen ist allerdings aufgrund der Strassenbreite, des Temporegimes und des Aufkommens an LKW sehr heikel für Velofahrer, da müsste man unbedingt etwas verbessern», so Lazzarotto.

Mit dem Velo zur Arbeit

Noch werde das Velo in der schweizerischen Verkehrskultur als Schönwetter-Fortbewegungsmittel betrachtet, schreibt Pro-Velo Schweiz. Eine von der Hochschule Luzern (HSLU) durchgeführte Studie zeige aber, dass Velofahrende, die von Frühling bis Herbst meistens mit dem Velo zur Arbeit oder Ausbildung fahren, häufig dem Winter trotzten und auch bei kalten Temperaturen und bei schlechtem Wetter auf den Sattel steigen würden. Die Zufriedenheit mit der Velo-Infrastruktur sei dabei der wichtigste Treiber.

Durch die Corona-Pandemie wurde ein richtiggehender Velo-Boom ausgelöst. Die aktuell steigenden Benzin- und Dieselpreise und nicht zuletzt das erhöhte Klimabewusstsein, seien ein Boost fürs Velofahren. Ein Trend, den Gemeinden nutzen sollten und ihre Infrastrukturen entsprechend ausbauen. Die Velostädte im Norden haben es bewiesen: Die attraktive Veloinfrastruktur nutzen die Velofahrenden in Massen.

Weiterführende Infos: www.pro-velo.ch, www.velopment.ch, www.biketowork.ch, www.prixvelo.ch

Martina Gradmann