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Gossau ZH
11.03.2025
11.03.2025 15:31 Uhr

«Demokratie sollte wieder ernster genommen werden»

Claudio Zanetti rekurrierte erfolgreich gegen das Vorgehen des Gemeinderats bezüglich Containeranlage für Geflüchtete.
Claudio Zanetti rekurrierte erfolgreich gegen das Vorgehen des Gemeinderats bezüglich Containeranlage für Geflüchtete. Bild: bt/zvg
Rekurrent gegen die geplante Containeranlage für Geflüchtete in Gossau ist SVP-Parteipräsident Claudio Zanetti. Im Interview erklärt er, was ihn am Vorgehen des Gemeinderats am meisten geärgert hat.

Du hattest den Rekurs beim Bezirksrat eingereicht. Bist du zufrieden mit dem Ergebnis?

Ich bin sogar sehr zufrieden, habe aber nichts anderes erwartet, da der Sachverhalt aus meiner Sicht dermassen klar war. Auch im SVP-Vorstand gab es keine Diskussion darüber, ob wir an den Bezirksart gelangen sollen. Wie wir an mehreren Gemeindeversammlungen mit Anfrage und Anträgen bewiesen haben, nehmen wir die Angelegenheiten unserer Gemeinde sehr ernst.

Es darf nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger zu einer Budgetversammlung gerufen werden, um A zu beschliessen, wenn am Ende B gilt. Auch auf kantonaler und Bundesebene sollte die Demokratie und damit die Beschlüsse des Souveräns wieder ernst genommen werden.

«Die ständigen Spielereien mit gebundenen und ungebundenen Ausgaben sind ein Ärgernis.»
Claudio Zanetti

Was hat dich am Vorgehen des Gemeinderats am meisten geärgert?

Nun, da treten die Stimmberechtigten zusammen, um den Voranschlag für das nächste Jahr zu beschliessen. Wir legen fest, wie viel Geld im Folgejahr ausgegeben werden darf. Es werden Anträge gestellt, die, bei Annahme, einen Einfluss auf Aufwand und Ertrag haben. Ein Gemeindeangestellter hat sogar den Auftrag, den aktuellen Saldo in Echtzeit auf die Leinwand zu projizieren, und am Schluss wird abgestimmt.

Was ich dem Gemeinderat vorwerfe, ist, dass er am letzten 18. November 2024 genau wusste, dass der Aufwand für das laufende Jahr um 200'000 Franken höher ausfallen würde. Doch er sagte an der Gemeindeversammlung kein Wort.

Es braucht die Stimmberechtigten nicht zu kümmern, dass der Gemeinderat das Geld schon 2024 hätte ausgeben wollen. An der Budgetgemeindeversammlung legen wir einen Ausgabenplafond fest. Und dieser ist für den Gemeinderat und die Verwaltung verbindlich.

Aus meiner Sicht hätte der Gemeinderat auch erklären können, ihm sei ein bedauerlicher Fehler unterlaufen, und er werde die 200’000 Franken andernorts einsparen. In diesem Fall hätten wir ihm Achtung vor dem Souverän attestiert und auf einen Rekurs verzichtet.

Ein weiteres Ärgernis ist diese ständige Spielerein mit gebundenen und ungebundenen Aufgaben. Das ist eine der wichtigsten Waffen, mit denen die Exekutive die Legislative schikaniert. Das nicht nur in Gossau, auch im Kantonsrat und im Bundesparlament, wo sie alles, was gebunden ist auch aufknüpfen könnten, erfreut sich dieses Spiel grosser Beliebtheit.

Am Ende kümmert den Bürger und Steuerzahler nur, was das Ganze kostet. Aber um die Diskussion zu erleichtern, haben wir in unserer Stellungnahme zur Revision der Gemeindeordnung gefordert, dass künftig im Voranschlag genau angegeben werden muss, welche Positionen in Stein gemeisselt sind und was geändert werden kann.

Wenn wir am Ende nur noch über die Bepflanzung der Blumenbete vor dem Gemeindehaus beschliessen dürfen, können wir auf Gemeindeversammlungen verzichten.

Der Gemeinderat hat in seiner gestrigen Medienmitteilung geschrieben, dass er nun neue Optionen prüfe. Welche sollten das deiner Meinung nach sein?

Gouverner, c’est prévoir (Regieren heisst planen, Anm. d. Red.): Wer regieren will, muss vorausschauen und in Varianten denken. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Arbeit der Verwaltung zu übernehmen. Unterbreitet uns diese gute Vorschläge, unterstützen wir sie, wie wir es beim Projekt Rössliwiese getan haben. Sind sie allerdings schlecht, so bekämpfen wir sie.

«In der Praxis verhalten sich die meisten Behörden so, als sei nur öffentlich, was sie über teure Kommunikationsabteilungen mitzuteilen geruhen.»
Claudio Zanetti

Der Gemeinderat lehnt die Unterbringungsmöglichkeiten bei der Künzli AG kategorisch ab, obwohl diese etliche Unterkünfte und diese sofort bereitstellen könnte. Wie ist deine Meinung dazu?

Ich kann dazu nichts sagen, es fehlen mir ganz einfach die Fakten. Und entgegen seinen Beteuerungen wird nicht transparent, sondern erratisch kommuniziert. Damit sind wir bei einem weiteren zentralen Problem unserer Demokratie: Darf der Staatsapparat Geheimnisse vor seinen Bürgern haben? Ich rede hier nicht von persönlichen Daten, die selbstverständlich vertraulich sind, sondern von einer unappetitlichen Geheimniskrämerei.

Nach dem Öffentlichkeitsprinzip ist alles öffentlich, was nicht aufgrund besonderer schützenswerter Interessen für geheim erklärt wurde. In der Praxis verhalten sich die meisten Behörden allerdings so, als sei nur öffentlich, was sie über teure Kommunikationsabteilungen mitzuteilen geruhen.

Dass der Gemeinderat seinen Beschluss vom 21. August 2024 über das Aufstellen der Container nicht publizierte, wurde vom Bezirksart zurecht gerügt. Doch bereits mussten wir feststellen, dass auch der Bericht über eine mögliche Sanierung der GZO AG Spital Wetzikon unter Verschluss gehalten wird. Auch in diesem Fall ist ein Gesuch der SVP Gossau um Veröffentlichung beim Bezirksrat hängig. Das sollte nicht nötig sein.

Du bist Präsident der SVP Gossau, die Partei hat in den letzten Monaten die Arbeit des Gossauer Gemeinderats immer wieder kritisiert, zuletzt bezüglich Gemeindeordnung. Von den anderen Gossauer Parteien hört man gar nichts zu diesen Themen. Warum?

Die SVP erzielte in Gossau bei den letzten Nationalratswahlen einen Anteil von 40 Prozent. Damit haben wir auch eine gewisse Verantwortung für die Geschicke der Gemeinde zu übernehmen.

Wir haben an Gemeindeversammlungen dazu aufgerufen, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Einige Bürger haben das getan und einen wertvollen Beitrag geleistet bei der Ausarbeitung unserer Einzelinitiative für eine Schuldenbremse. Auch die FDP hat signalisiert, dass sie mit uns in diesem Bereich zusammenarbeiten will. Das freut uns sehr, und wir sind auch gegenüber allen anderen Parteien offen. Die Demokratie lebt vom freien Wettstreit der Ideen, und diesem stellen wir uns mit Begeisterung.

Das Vorhaben an die Gemeindeversammlung zu bringen, scheint derzeit nicht im Fokus des Gemeinderats zu stehen. Sollte es dennoch zur Abstimmung kommen, welche Haltung vertritt die SVP in diesem Zusammenhang?

Das werden wir entscheiden, wenn es so weit ist. Wir haben uns guten Lösungen noch nie verschlossen.

Darum geht's

Der Gemeinderat wollte eine nicht mehr genutzte Containeranlage der Schule in Bertschikon zu einer Unterkunft für Asylsuchende umfunktionieren und an der Rebhaldenstrasse in Gossau installieren. Darin sollten sechs bis acht Personen Platz finden, bis der Erweiterungsbau «Rössliwiese 2» fertiggestellt ist. Die als sog. gebundene Ausgaben deklarierten Kosten von 200'000 Franken wurden nirgends kommuniziert.

Gegen das Vorhaben wurde rekurriert – mit Erfolg. Der Bezirksrat hiess den Rekurs gut und hob den Beschluss des Gemeinderats vom August 2024 auf. Es handle sich um ungebundene Kosten, weshalb sie der Gemeindeversammlung hätten vorgelegt werden müssen.

Der Gemeinderat teilte am 10. März 2025 mit, dass er den Entscheid des Bezirksrats akzeptiere und keine Rechtsmittel ergreife. Er wolle nun die Optionen neu prüfen. Ein Vorlegen an der Gemeindeversammlung sei derzeit noch offen (wir berichteten).

Barbara Tudor