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Gossau ZH
05.03.2025
06.03.2025 07:40 Uhr

Asylcontainer: Bezirksrat pfeift Gemeinderat zurück

Hier sollte die Containeranlage zu stehen kommen. Daraus wird vorerst nichts.
Hier sollte die Containeranlage zu stehen kommen. Daraus wird vorerst nichts. Bild: Barbara Tudor
Der Gemeinderat Gossau plante eine Containeranlage für Geflüchtete in einem Wohnquartier. Dagegen wurde Rekurs eingelegt. Der Bezirksrat gibt dem Rekurrenten Recht und hebt den Beschluss des Gemeinderats auf. Das Vorhaben müsste nun vor die Gemeindeversammlung.

Rückblende: Am 21. November 2024 informierte die Liegenschaftsabteilung der Gemeinde Gossau die Anwohner von Rebhaldenstrasse, Betschürenstrasse und Hasenbüelstrasse per Brief, dass auf der Gemeinde-eigenen Parzelle bei der Rebhaldenstrasse bis Frühling 2025 eine Containeranlage für sechs bis acht Geflüchtete installiert werden soll. Am 6. Dezember 2024 sollte das Projekt öffentlich aufgelegt werden.

Auf Anfrage von Zürioberland24 kam heraus, dass die Installation 200'000 Franken kosten soll und der Betrag nicht im bereits verabschiedeten Budget 2025 enthalten ist (wir berichteten).

Bevölkerung wusste von nichts

Der Gemeinderat entschied am 21. August 2024 über das Projekt. Doch kommuniziert hat er dies nicht. Weder auf der Gemeinde-eigenen Homepage, amtlich, im «Lutra» oder dem «Gossauer Info», noch an der Gemeindeversammlung vom 9. September 2024, als es um just den Kredit für den Erweiterungsbau der «Rössliwiese 2» für Geflüchtete ging. Und auch nicht an der Gemeindeversammlung vom 18. November 2024, wo das Budget 2025 behandelt und nur mit massiven Kürzungen angenommen wurde (wir berichteten).

Beschwerde eingereicht

Gegen das Vorhaben hat ein Gossauer Stimmberechtigter im Dezember 2024 Beschwerde eingereicht. Der Rekurrent begründet die Beschwerde u.a. damit, dass der Beschluss vom 21. August 2024 hätte publiziert werden und die Kosten von 200'000 Franken im Budget 2025 hätten abgebildet werden müssen.

Ausserdem habe der Gemeinderat die Ausgaben unzulässigerweise als gebunden eingestuft, obwohl diese als ungebundene Ausgabe in der Kompetenz der Gemeindeversammlung gelegen hätte.

Der Rekurrent ist ausserdem der Meinung, dass der Gemeinderat den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt habe, indem er einen um 200'000 Franken zu tief ausgewiesenen Aufwand im Budget ausgewiesen habe.

Gebundene und nicht gebundene Ausgaben

Ausgaben gelten als gebunden, wenn eine Behörde gesetzlich dazu verpflichtet ist oder wenn die Ausgaben aus sachlichen, zeitlichen oder örtlichen Gründen keinen erheblichen Entscheidungsspielraum zulassen. In so einem Fall kann eine Behörde eigenständig ohne die Mitsprache durch die Stimmbevölkerung entscheiden.

In Gossau müssen ungebundene Ausgaben ab einem Betrag von 100'000 Franken an die Gemeindeversammlung.

«Massive Auseinandersetzungen»

Der Beschluss des Bezirksrats liegt Zürioberland24 vor. Der Gemeinderat Gossau stellt sich darin in seiner Argumentation auf den Standpunkt, dass es sich um eine gebundene Ausgabe handle. Die Gemeinde sei aufgrund der Asylfürsorgeverordnung verpflichtet, für die Unterbringung und Betreuung der Asylsuchenden zu sorgen. Es bestehe damit eine «begründete Pflicht» zur Bereitstellung bzw. Errichtung von Wohnraum. Ausserdem habe kein erheblicher zeitlicher Entscheidungsspielraum bestanden und es habe auch keine Alternativen hinsichtlich Standort gegeben.

Es seien andere Standorte geprüft worden, doch diese habe man als ungeeignet ausschliessen müssen. Dabei handelt es sich um den Standort bei der Schulanlage Männetsriet in Bertschikon sowie um eine Wiese im Bereich der Oberstufenschule in Gossau.

Zum Standort Schulanlage Männetsriet schrieb der Gemeinderat in seiner Begründung an den Bezirksrat unter anderem: «Für den Gemeinderat stellt dieser Standort keine Alternative dar, da er nur wenige Meter neben dem Kindergarten liegt und daher der Betrieb der Flüchtlingsunterkunft zu massiven Auseinandersetzungen mit Mitarbeitenden der Schule und den Eltern und Erziehungsberechtigten von Kindergartenkindern führen würde.»

Künzli-Baracken «keine Alternative»

Weiter schreibt der Gemeinderat in seiner Begründung, dass auch die Anmietung von Wohnbaracken der Künzli AG «keine Alternative» darstelle. Diese würden sich nur als Unterkunft für allein reisende männliche Flüchtende eignen. Der Gemeinderat aber wolle Familien mit Kindern aufnehmen. Der Standort an der Rebhaldenstrasse sei gegenwärtig der «einzige mögliche und geeignete Standort».

Bezirksrat lässt Argumente nicht gelten

Die Begründung, es hätte keine alternativen Standorte gegeben, lässt der Bezirksrat nicht gelten. Von Seiten Kanton gebe es keine Vorgaben bezüglich Geschlecht, Alter sowie Familienstand.

Gemäss aktuellen Statistiken seien männliche Geflüchtete immer noch die grosse Mehrheit der Asylsuchenden. Da der Gemeinderat explizit die Aufnahme von Familien und Müttern mit Kindern plant, ist aus Sicht des Bezirksrats denkbar, dass die Containeranlage in der Nähe von Kindergarten oder Oberstufenschule installiert wird.

Auch das Argument des Gemeinderats, es gebe in Gossau keine Wohnungen zur Miete, lässt der Bezirksrat nicht zu und bezieht sich dabei auf aktuelle Angebote auf Mietportalen wie immoscout24.ch, die für Familien geeignet seien.

Eine Vergrösserung der «Rössliwiese 2» sei zudem eine mögliche Lösung, zumal der Gemeinderat selbst erklärt habe, dass es diesbezüglich eine Maximalvariante gebe, vorerst aber nur die kleinere Variante geplant sei. Somit stelle die Rebhaldenstrasse nicht die einzige realisierbare Lösung dar.

Schlussendlich lässt der Bezirksrat auch das Argument, dass das Projekt wegen zeitlicher Dringlichkeit als gebundene Ausgabe definiert worden sei, nicht zu. Man dürfe das Mitspracherecht nicht aushebeln.

Beschluss wird aufgehoben

Der Bezirksrat hält fest, dass es sich um eine neue Ausgabe handle, die gemäss Gemeindeordnung in die Kompetenz der Gemeindeversammlung falle. Mit Beschluss vom 27. Februar 2025 hat der Bezirksrat Hinwil den Rekurs gutgeheissen. Der Beschluss des Gemeinderats vom 21. August 2024 wird aufgehoben.

«Mangelnde Sorgfalt»

Weiter rügt der Bezirksrat den Gemeinderat, dass er den Beschluss vom 21. August 2024 nicht öffentlich publiziert hatte.

Auch bezüglich Budget klärt der Bezirksrat den Gemeinderat auf: «Ausgaben müssen selbst dann ins Budget aufgenommen werden, wenn sie gebunden sind.» Ausserdem müssten auch voraussehbare Ausgaben, für die eine Urnenabstimmung oder Gemeindeversammlung noch ausstehend ist, im Budget aufgenommen werden.

Diesbezüglich müsse sich der Gemeinderat «mangelnde Sorgfalt» vorwerfen lassen. Für eine absichtliche Täuschung der Stimmberechtigten würden sich hingegen «zu wenig Hinweise finden».

Der Gemeinderat Gossau hat sich bislang nicht öffentlich zum Beschluss geäussert.

Barbara Tudor