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Grüningen
04.12.2024
04.12.2024 12:27 Uhr

Grüningen erhöht den Steuerfuss «nur» auf 116 Prozent

Gemeindepräsident Carlo Wiedmer schaut auf die Uhr, denn noch immer drängen Stimmberechtigte in den Saal.
Gemeindepräsident Carlo Wiedmer schaut auf die Uhr, denn noch immer drängen Stimmberechtigte in den Saal. Bild: Martina Gradmann
An der Gemeindeversammlung beschlossen die Stimmberechtigten den Steuerfuss nicht auf 118, sondern nur auf 116 Prozent zu erhöhen. Mit diesem wurde auch das Budget genehmigt. Der Gemeinderat wollte es anders.

Der Kirchgemeindesaal war an diesem Dienstagabend dermassen voll, dass einige stehen oder auf der Treppe sitzen mussten. 226 Stimmberechtigte – so viele wie seit Jahren nicht mehr – waren an die Gemeindeversammlung gekommen, um über das Budget und vor allem über den höheren Steuerfuss zu befinden.

«Ich bin überwältigt», sagte denn auch Gemeindepräsident Carlo Wiedmer, und die drei gewählten Stimmenzählenden hatten an diesem Abend schon zu Beginn viel zu tun. Finanzvorsteher ad interim, Sascha-Max Steinegger, stellte den Antrag, das Budget mit einem Gesamtaufwand von 24,9 Millionen Franken und einem Aufwandüberschuss von 10'110 Franken und geplanten Nettoinvestitionen von 2,4 Millionen Franken zu genehmigen. Dazu sollte der Steuerfuss der politischen Gemeinde für das Jahr 2025 auf 118 Prozent des einfachen Gemeindesteurertrages festgesetzt werden.

Von Zahlen erschlagen

Steinegger erklärte den Anwesenden zuerst, weshalb es aus Sicht des Gemeinderates diese Erhöhung es Steuerfuss benötige. «Wenn wir weiter machen wie bisher, droht der Gemeinde ein strukturelles Defizit und die Nettoverschuldung ist kaum zu reduzieren.» Er erläuterte, dass man den tiefen Selbstfinanzierungsgrad von durchschnittlich 50 % auf 75 % erhöhen und über die nächsten zehn Jahre Investitionen tätigen möchte, um nicht in einen Investitionsstau zu geraten.

Detailliert ging Steinegger die einzelnen Budgetposten durch, erklärte die Aufwandsteigerungen und -minderungen im Budget und verdeutlichte, dass man die Kostentreiber wie Bildung, Soziale Sicherheit und Verkehr nicht beeinflussen könne. «Die Sanierung des Gemeindehauses, der Badi und des Werkhofs stehen an. Und auch für die Stedtli-Umfahrung müssen wir etwas ins Budget einstellen, weil die Strasse dann an die Gemeinde übergeht.»

Steinegger zeigte detailliert und verständlich auf, was die verschiedenen Zahlen bedeuten, dass ein höherer Steuerfuss auch einen höheren Ressourcenausgleich bedeute und welche Angebote die Gemeinde attraktiv machten. Die Flut der unterschiedlichen Zahlen war verständlich, doch einige fühlten sich davon auch erschlagen.

«Sie haben sich fast jedes Jahr um eine Million Franken verschätzt. Wie ist so etwas möglich?»
Stimmberechtigter von Grüningen

Beim Budget verschätzt

Zum Budget und der geplanten Steuerfusserhöhung äusserte sich auch RPK-Präsident Matthias Huber. Er verdeutlichte, dass die RPK nicht begeistert sei, aber nach Einsicht aller Zahlen zum Schluss gekommen sei, den Gemeinderat für einen gesunden Finanzhaushalt zu unterstützen.

Bei der anschliessenden Fragerunde wurden die die Budgetzahlen allerdings vom einem der Anwesenden bezweifelt: «Sie haben sich fast jedes Jahr um eine Million Franken verschätzt. Wie ist so etwas möglich?» Während Steinegger dazu nochmals die Kostentreiber ins Feld führte, ergänzte Gemeindeschreiberin Yvonne Cassol, dass auch die Einkommen der juristischen Personen nicht planbar seien.

Ein anderer wollte wissen, wie man auf den hohen Betrag von 2,2 Millionen Franken für die Badi-Sanierung käme und weshalb die Zahlen bei der Personalplanung so hoch seien. Hier verwies der Finanzvorstand auf kantonal vorgegebene Standards.

«Ein Aufwandüberschuss von 10'000 Franken überzeugt mich nicht», meinte ein anderer Anwesender. «Die Erträge sind defensiv und die Aufwände offensiv budgetiert. Und weshalb sollen Darlehen jetzt zurückgezahlt werden? Eine Steuerfusserhöhung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht opportun und 5 Prozent sind zu hoch.»

Horror-Szenario oder Vertrauen für den Gemeinderat?

Man habe sich mit der Mehrzweckhalle und der Schulhaus Aufstockung doch einfach «überlupft», meinte ein anderer, obwohl man damals versichert habe, Grüningen könne sich das leisten. Jetzt werde bis 2034 ein «Horrorszenario» aufgezeigt, doch Entwicklungen wie die Neubewertung der Liegenschaften sei nicht in das Budget eingeflossen.

«Ich habe auch keine Freude an einer Steuererhöhung, plädiere aber trotzdem für ein Ja», sagte ein anderer. Die Gemeinde sei auch mit einem höheren Steuerfuss attraktiv, doch das koste auch etwas. «Wir tun gut daran, dem Gemeinderat unser Vertrauen zu schenken.»

Zu reden gaben nochmals die Personalkosten und das Durchschnittseinkommen eines Steuerzahlenden, als schliesslich der Antrag kam, die Diskussion abzubrechen und zur Abstimmung zu kommen. «Sie haben uns viele Zahlen um die Ohren geschlagen und ich möchte jetzt zur Abstimmung kommen», meinte der Antragssteller. Dem Antrag wurde schliesslich mit 94 zu 80 Stimmen zugestimmt.

Steuerfuss nur 3 Prozent erhöhen

Nicht einig waren sich der Gemeinderat und ein Anwesender, ob man zuerst über den Steuerfuss und dann das Budget oder umgekehrt abstimmen solle. Dazu wurden von beiden Seiten Gesetzestexte zitiert, wobei Steinegger betonte, dass man hier keinen Spielraum habe. Erst müsse über das Budget und dann die Erhöhung des Steuerfusses befunden werden. «Ich empfinde diese Argumentation als nicht redlich», meinte der Anwesende und beantragte deshalb, den Steuerfuss nur um 3 Prozent auf 116 Prozent zu erhöhen.

Kurz stand auch noch die Frage eines Notbudgets im Raum, bei dem man alle nicht gebundenen Ausgaben streichen müsste und erst Ende März mit einem neuen Budget rechnen könnte. Obwohl noch ein Votant für die fünf-prozentige Steuererhöhung plädierte, sagten schliesslich 132 Anwesende Ja zu einer Steuerfusserhöhung auf 116 Prozent.

Das Budget, das neu mit einem Aufwandüberschuss von 217'110 Franken schliesst, wurde mit 148 Ja-Stimmen genehmigt. Einstimmig genehmigt wurde auch die Revision des privaten Gestaltungsplan der VZO.

Martina Gradmann