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Kommentar
Gossau ZH
19.11.2024
19.11.2024 18:51 Uhr

Gossau hat Stärke bewiesen

Jede Stimmung zählt. Jede Meinung ist wichtig.
Jede Stimmung zählt. Jede Meinung ist wichtig. Bild: AdobeStock
Die Gemeindeversammlung in Gossau ZH vom 18. November 2024 hat eindrücklich gezeigt, dass es sich lohnt, sich mit Vorlagen auseinanderzusetzen und nicht alles durchzuwinken. Ein Kommentar von Barbara Tudor.

Die Gemeindeversammlung behandelte am 18. November 2024 das vorgelegte Budget 2025. Mit dem erneuten Aufwandüberschuss von über 750'000 Franken war die Mehrheit der Stimmberechtigten nicht einverstanden. Neben einem Antrag, auf die im laufenden Jahr neu eingeführte gemeindeeigene Publikation «Lutra» zu verzichten, wurden vor allem die erneut höheren Personalkosten kritisiert und von der Gemeindeversammlung nicht toleriert. Der Gemeinderat muss nun 234'800 an Personalkosten einsparen.

Der Angstmacherei zum Trotz

Der Gemeindepräsident hat zwar noch versucht, die Reduktion der Personalkosten zu verhindern, in dem er der Versammlung Angst vor einem «Not-Budget» einjagen wollte. Doch das Argument, mit einem Not-Budget könnten keine Schulreisen und kein Neujahrsanlass mehr stattfinden, zog bei der Versammlung nicht. Es machte vielmehr deutlich, dass wenig Einsicht besteht. Denn warum sollten ausgerechnet Schulreisen deswegen gestrichen werden? Schulreisen, die in der Regel im Sommer stattfinden und bis dann ein Not-Budget längst definiert ist? Vielleicht könnte man sich ja aber überlegen, im 2025 auf den Ausflug der Gemeindeangestellten zu verzichten...

Auch die Aufforderung, man müsse schon einen konkreten Budgetposten nennen, damit man diesen behandeln könne, beeindruckte die Versammlung nicht. Ebenso wenig wie die Information, dass es rechtlich keinen Grund gebe, ein Budget vorzulegen. Sie blieb bei ihrer Meinung und stimmte sowohl der Streichung des «Lutra» zu als auch der Kürzung des Personalbudgets um gut 230'000 Franken.

Nun ist zu hoffen, dass der Rotstift nicht der Einfachheit halber bei den einfachen Gemeindeangestellten angesetzt wird, sondern beim über die Jahre gewachsenen bürokratischen Verwaltungsapparat und dass seine Prozesse unter die Lupe genommen werden.

Zahlen verständlich machen

Was an dieser Gemeindeversammlung auch überdeutlich wurde: Es ist wichtig, den Menschen Informationen zugänglich zu machen, und zwar so, dass sie es verstehen. Natürlich, Budgetunterlagen gehören wohl für die wenigsten zu beliebten Lesewerken. Aber auch die kann man in der heutigen Zeit mit etwas gutem Willen so gestalten, dass sie verstanden werden. Ob die nun als Flugblatt, über die Homepage oder anderswie an die Menschen herangetragen werden, spielt eine Nebenrolle.

Direkte Demokratie ist unbezahlbar

An diesem Abend wurde im beschaulichen Gossau, im Gotteshaus der Reformierten, klar: Jede einzelne Stimme zählt. Ob man diese nun am Rednerpult nutzt oder wortlos durch das Erheben der Hand für ein Ja oder Nein: Sie ist wichtig und ein unverzichtbares Mittel, um über ein Thema zu diskutieren, andere Ansichten anzuhören oder sich auch in den eigenen bestätigt zu fühlen.

Die Gossauerinnen und Gossauer haben Mut bewiesen und sind für ihre Anliegen eingestanden. Ob für eine Begegnungszone in Unter-Ottikon, für mehr Ruhe durch ein Verbot von lautem Feuerwerk oder um die Sorgen über die finanzielle Schieflage der Gemeindefinanzen zu äussern. Besonders gefreut hat mich, dass auch einige junge Menschen vor Ort waren und sogar ans Rednerpult getreten sind. Bravo! Denn die Entscheidungen, die man heute trifft, werden auch sie betreffen. Ihre Meinung zu hören, ist wichtig.

Es ist zu hoffen, dass die Gebete der netten Dame und ihrer Gebetsgruppe erhört werden und der Gemeinderat wie auch die Verwaltung die Kraft und den Willen aufbringen, die Wünsche der Bevölkerung aufzunehmen und wo gefordert über die Bücher gehen.

Die Botschaft gestern an den Gemeinderat jedenfalls war klar: Die Menschen wünschen sich mehr Transparenz. Ein Budget, das man auch versteht. Und ein umsichtiges Budget, zu dem man aus Überzeugung Ja sagen kann. Ich bin überzeugt, dass der Gemeinderat und die Verwaltung das schaffen werden.

Barbara Tudor