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Gossau ZH
05.07.2024
06.07.2024 08:49 Uhr

Mehrkanalige Kommunikation: «Wir hätten früher informieren müssen»

Thomas-Peter Binder beantwortet Fragen zur mehrkanaligen Kommunikation.
Thomas-Peter Binder beantwortet Fragen zur mehrkanaligen Kommunikation. Bild: bt
Der Gemeinderat Gossau ZH hat im Mai 2024 die Öffentlichkeit erstmals über seine neu geplante mehrkanalige Kommunikation informiert, die den Steuerzahler eine Stange Geld kostet. Zu spät, wie der Gemeindeschreiber im Nachhinein eingesteht.

Im Mai 2024 informierte der Gemeinderat Gossau ZH erstmals offiziell über seine Pläne, die Kommunikation innerhalb der Gemeinde neu auszurichten. Neben der Öffnung mehrerer sozialen Kanäle wurde ein neues Printprodukt lanciert. Das hat innerhalb der Gemeinde nicht nur für Staunen gesorgt, sondern auch für Verärgerung, weil der Souverän über die Pläne im Vorfeld nicht informiert wurde und auch keinerlei Mitsprachemöglichkeit hatte.

Vergangene Woche liess der Gemeinderat die Katze dann aus dem Sack bzw. das neue Gemeindemagazin in die Gossauer Briefkästen: «Lutra» heisst das 20 Seiten umfassende Magazin, mit dem der Gemeinderat einen «direkteren und ausführlicheren Dialog» mit der Bevölkerung pflegen will und das künftig 6-mal im Jahr erscheinen soll.

Zürioberland24 stellte der Präsidialabteilung einige Fragen dazu. Beantwortet hat sie der Gemeindeschreiber Thomas-Peter Binder. Anfrage und Antworten erfolgten schriftlich.

Die Initialkosten für die mehrkanalige Kommunikation betragen gemäss Mitteilung 44'000 Franken. Was ist darin enthalten?

Thomas-Peter Binder: Ein Inhalts- und Gestaltungskonzept für die Print-Ausgabe, ein Gestaltungskonzept für die Social-Media-Kanäle und Plakate sowie Kosten für die grafische Weiterentwicklung der «Aktuell»-Bereiche der Website.

Gemäss Mitteilung des Gemeinderats betragen die Kosten für Print, Website und Social Media jährlich 187'000 Franken. Wie teilen sich diese auf und was beinhalten sie konkret?

Kostenposition Kosten p.a.
Umsetzung Printausgaben, 6 Ausgaben à 20 Seiten 69'120
Fotografie für Ausgaben 24'000
Druckkosten 22'000
LinkedIn und Blogbeiträge 2'700
Facebook und Instagram 4'500
Projektleitung und Redaktionskonzept 54'600
Amtliche Publikationen 10'000
Total 186'920

 

Eine neue Studie der Fachhochschule Graubünden bestätigt, dass Gemeinden – neben ihren eigenen Kommunikationskanälen wie Website – auch die bestehenden lokalen Medien berücksichtigen sollten, damit ein unabhängiger Journalismus möglich ist. Mit dem Vorgehen des Gemeinderates tut er genau das Gegenteil.

Die Studie ist uns bekannt. Sie zeigt tatsächlich, dass verschiedene Gemeinden den Lokaljournalismus finanziell unterstützen und auf diese Weise mithelfen, den Lokaljournalismus zu erhalten. Die Studie stellt aber umgekehrt auch fest, dass diese Form der Unterstützung je nach Ausgestaltung zu Lasten der Unabhängigkeit geht. Das Ganze ist also ein zweischneidiges Schwert. Bei der Entwicklung der neuen Gemeindekommunikation war dem Gemeinderat die klare Trennung von unabhängigem Journalismus und Gemeindeinformation wichtig.

Wie passt das mit der Information zusammen, dass der Gemeinderat das «Gossauer Info» dennoch weiterhin berücksichtigt hätte, demzufolge also weiterhin 32'000 Franken fürs «Gossauer Info» ausgegeben hätte?

Der Ausbau der Gemeindekommunikation generiert Mehrkosten von 30'000 Franken pro Jahr. Hätte die «Gossauer Info» weiter bestanden, hätten die Mehrkosten 62'000 Franken pro Jahr betragen. Wenn man hier nun den Mehrwert der neuen Gemeindekommunikation gegenüberstellt, sind beide Beträge gerechtfertigt.

«Wir anerkennen die Kritik, dass wir schon früher über die anstehenden Neuerungen hätten informieren sollen, nicht erst im Zuge der Lancierung.»
Thomas-Peter Binder, Gemeindeschreiber Gossau ZH

Dass sich das «Gossauer Info» zurückzieht, war absehbar. Warum hat der Gemeinderat im Zuge der Neuauslegung seiner Kommunikation und im Sinne einer vorausschauenden Planung keine Zusammenarbeit mit dem Verlag Tudor Dialog GmbH und der «Gossauer Post» geprüft, zumal dieser ganz offensichtlich über das Knowhow und die Erfahrung im Bereich Printmedien-Realisationen verfügt, bereits für andere politische Gemeinden erfolgreich Lokalzeitungen herausgibt und mit dem Newsportal Zürioberland24 einen attraktiven Mehrwert bietet?

Es war ein bewusster Entscheid im Sinne der Medienvielfalt. Die «Gossauer Post» ist eine unabhängige Zeitung. Sie soll investigativen und meinungsbildenden Journalismus betreiben und vor allem soll sie die Arbeit von Behörde und Verwaltung kritisch verfolgen und bewerten können. Damit die Unabhängigkeit gewährleistet ist, sollte keine Zusammenarbeit mit der Gemeinde bestehen. Der Verlag muss sich selbst finanzieren. Eine Mitfinanzierung durch die öffentliche Hand, in welcher Form auch immer, ist konfliktanfällig und ungesund.

Die neue Gemeindepublikation «Lutra» hat eine andere Funktion. Sie ist das offizielle Informationsblatt der Gemeinde. Sie beinhaltet keine Meinungsbildung, sondern berichtet neutral über relevante Themen von Behörde und Verwaltung. Die beiden Publikationen haben ihre eigenen und gleichermassen wichtigen Rollen im politischen Informations- und Meinungsbildungsprozess.

Was sagt der Gemeinderat zur Kritik, u.a. von der Gossauer Politik, dass der Gemeinderat an der Bevölkerung vorbeigeplant habe und der Souverän über «strategische Neuausrichtungen» im Vorfeld im Detail informiert werden müsste?

Ob wir mit der Modernisierung der Gemeindekommunikation an der Bevölkerung «vorbeigeplant» haben, wird sich weisen. Der Gemeinderat ist zuversichtlich, dass die neuen Kanäle auf die heutigen Nutzungsbedürfnisse ausgerichtet sind und die Kommunikation mit der Bevölkerung dadurch verbessert wird. In diesem Punkt teilen wir die geäusserte Skepsis nicht. Hingegen anerkennen wir die Kritik an der mangelhaften Kommunikation in diesem Geschäft. Das Informationsbedürfnis haben wir unterschätzt. Wir hätten schon früher über die anstehenden Neuerungen informieren sollen, nicht erst im Zuge der Lancierung.

«Im Nachhinein sind wir selber auch der Ansicht, dass wir früher hätten informieren sollen.»
Thomas-Peter Binder

In keinem der von der Gemeinde genutzten Kommunikationskanäle – weder auf der Website noch im bislang offiziellen Organ «Gossauer Info», wurde je über die Pläne eines eigenen Printproduktes informiert. Auch in den Verhandlungsberichten findet man keine Informationen zu Kostengutsprachen für das Projekt. Warum diese Geheimniskrämerei bei einem Projekt, wo es doch genau um den offenen und «nachhaltigen» Dialog geht?

Die Kritik müssen wir gelten lassen. Die geplanten Neuerungen in der Gemeindekommunikation wurden zwar an verschiedenen öffentlichen oder teil-öffentlichen Anlässen angesprochen, so etwa am Neujahrsapéro, und das Projekt ist auch im Budget 2024 aufgeführt (ein eindeutiger Hinweis zu einem geplanten Printprodukt oder zur Neuausrichtung der Kommunikation fehlt im Budget 2024 gänzlich, Anm. d. Red.). Doch eine offizielle Mitteilung ist – wie vorhin erwähnt – erst im Zuge der Lancierung erfolgt. Im Nachhinein sind wir selber auch der Ansicht, dass wir früher hätten informieren sollen. Es war aber auf jeden Fall nie die Absicht, etwas zu verstecken.

Im Budget 2024 der Gemeinde Gossau ZH findet sich nur diese versteckte Information zu den Kommunikationsplänen der Gemeinde. Dass sich hinter «Kommunikationsprojekte Therefore» auch ein neues Printprodukt versteckt, konnte keiner wissen. Bild: Gemeinde Gossau ZH
Barbara Tudor