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Bubikon
22.05.2022
25.05.2022 20:03 Uhr

«Der Gemeinderat hat oft zu defensiv kommuniziert»

Hans-Christian Angele wurde am 27. März 2022 zum neuen Gemeindepräsidenten von Bubikon gewählt.
Hans-Christian Angele wurde am 27. März 2022 zum neuen Gemeindepräsidenten von Bubikon gewählt. Bild: Martina Gradmann
Diesen Frühling wurde Hans-Christian Angele zum neuen Gemeindepräsidenten von Bubikon gewählt. Mit Zürioberland24 sprach er über die künftigen Herausforderungen, die Abstimmung über das Stammgleis und den Wegzug der Schulthess AG.

Zürioberland24: Sie wurden vom Gemeinderatsmitglied zum Gemeindepräsidentin gewählt. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?

Hans-Christian Angele: Ich bin ja erst seit einem Jahr im Gemeinderat. Ich würde nicht von Vor- oder Nachteil sprechen, man hat als Gemeindepräsident einfach eine andere Funktion. Ich leite das Ressort Hochbau und Planung sehr gerne, weil das Themen sind, die mir sehr nahe liegen. Als Gemeindepräsident hat man häufiger Repräsentationsaufgaben. Man ist verantwortlich für das Team und dass es funktioniert und weniger für die thematischen Fragen. Doch ich werde sicher bei den strategischen Themen dabei sein.

Können Sie das Ressort Hochbau behalten?

Nein. Laut dem aktuellen Geschäftsreglement der Gemeinde geht das nicht, und der Gemeindeschreiber hat mir auch davon abgeraten. Im Geschäftsreglement ist die Zuteilung der Ressorts definiert. Man kann das aber auch anders organisieren. Früher hatte in Bubikon der Gemeindepräsident die Finanzen unter sich, was durchaus auch Sinn machen kann. Der Gemeinderat ist jetzt neu. Wir werden zuerst mit einer Strategieentwicklung starten. Vielleicht kommen wir da zum Schluss, die Organisation zu ändern.

Thomas Illi hatte das wichtige Finanzressort unter sich. Wer wird das jetzt übernehmen?

Das kann ich jetzt noch nicht sagen, dazu müssen wir uns zuerst konstituieren. Theoretisch müsste jeder Gemeinderat dieses Ressort übernehmen können. Der oder die Zuständige für die Finanzen muss ja in erster Linie den Überblick haben und das Geld zusammenhalten.

Ein ungeliebtes Ressort?

Nein, das würde ich nicht sagen. Ich habe mit allen Gemeinderäten gesprochen und niemand hat gesagt, dass er die Finanzen auf keinen Fall übernehmen möchte.

Ihre Vorgängerin, Andrea Keller, stand teilweise sehr in der medialen Kritik. Fürchten Sie dieses Rampenlicht?

Ich werde sicher stärker im Rampenlicht stehen und habe noch wenig Erfahrung damit. Aber ich fürchte mich nicht. Ich vertrete den Gemeinderat in Globo und muss als Person für die Entscheidungen hinstehen.

Wie gehen Sie damit um?

Mit meinen 65 Jahren bin ich sicher gelassener geworden und musste in meinem Leben schon häufig mit Druck umgehen. Mittlerweile kann ich auch gut zwischen der Sache und der Person abstrahieren. Natürlich wird es auch Dinge geben, die mich persönlich treffen können. Das hat dann aber meist mit dem Amt zu tun.

«Ich fürchte mich nicht vor dem Rampenlicht, sondern vertrete den Gemeinderat in Globo.»
Hans-Christian Angele, neuer Gemeindepräsident Bubikon

Jetzt kommen drei neue Gemeinderatsmitglieder, darunter auch die junge Seraina Billeter. Was halten Sie von ihr?

Ich kenne sie noch nicht so gut, finde es aber sehr wichtig, dass jemand Junges und eine weitere Frau in den Gemeinderat kommt. Man hat ja oft das Problem der Überalterung. Nach Gesprächen mit ihr habe ich einen sehr guten Eindruck. Sie ist offen, ehrlich, transparent und überlegt. Sie wird sich gut einbringen können.

Kommen wir zu den Legislatur-Zielen 2019-2022. Was wurde schon erreicht, was nicht?

Vieles davon wurde noch nicht erreicht, es sind ja auch mehr Schwerpunkte und einige Massnahmen, die vom bisherigen Gemeinderat fixiert worden sind. Corona hat sicher auch noch dazwischengefunkt, und natürlich war durch Personalfragen und Internas vieles blockiert. Doch wenn man das im Detail anschaut, kann man sich beispielsweise bei der Gemeindeentwicklung und der anvisierten stärkeren Zusammenführung der Dörfer Bubikon und Wolfhausen auch fragen, braucht es das überhaupt? Das müssen wir in unserer Strategieentwicklung nochmals analysieren.

Als ich vor einem Jahr das Ressort übernommen habe, habe ich die Revision der kommunalen Planung ausgelöst. Aktuell wird ein räumliches Entwicklungsleitbild erstellt, um zu sehen, wo wir stehen und wohin es gehen soll, wo sich Bubikon von anderen Gemeinden unterscheidet, welches die Herausforderungen sind und wie wir diese angehen können. Es wurde eine Planungskommission gebildet, und dieser Prozess läuft noch.

Wie weit soll Bubikon noch wachsen?

Wir haben jetzt ungefähr 7500 Einwohner: innen. Gemäss Bevölkerungsprognose des Kantons wird das Wachstum weitergehen und bis 2040 auf rund 8'700 Einwohner zunehmen. Die Konsequenzen müssen wir sicher genauer anschauen. Bubikon wird wachsen, weil die Nachfrage nach Wohnqualität und Nähe zum Arbeitsplatz da ist. Wir werden analysieren müssen, wo wir in Bubikon verdichten wollen und wo eher nicht.

Wie sieht es bei den Begegnungszonen aus?

Ich bin natürlich ein Fossil und gehe meist in den Löwen, in die Rampe oder neu in die Rosenburg. Dass Bubikon und Wolfhausen keine schönen Begegnungszonen haben, hat man schon vor Jahren erkannt. Auch hier gibt es verschiedene Bedürfnisse und Ansprüche. Wie man diesen gerecht werden kann, wird sich zeigen. Wir haben das Thema in der räumlichen Entwicklungsplanung aufgenommen. Vielleicht wird es einen Wettbewerb unter Einbezug der Bevölkerung geben.

«Bubikon wird wachsen, weil die Nachfrage nach Wohnqualität und Nähe zum Arbeitsplatz da ist.»
Hans-Christian Angele

Wie sieht es bei der Energie aus?

Ein wichtiges Thema bei der Gemeindeentwicklung. Einerseits geht es um Klimafragen, andererseits um die weltpolitischen Entwicklungen in Sachen Öl und Gas. Wir haben den ganzen Prozess neu lanciert und aktualisieren momentan unsere Energieplanung. Eine Veranstaltung zum Thema Gebäudesanierung und Heizungsersatz hat gezeigt, dass das Interesse riesig ist.

Wir sind in Bubikon betreffend alternativer Systeme schon recht gut unterwegs, doch rund die Hälfte aller Gebäude werden nach wie vor mit Öl und Gas beheizt. Jetzt kommt das Projekt Fernwärme Zürcher Oberland, das für Bubikon eine Alternative zum Gasnetz sein könnte. Das heisst: Die KEZO liefert Wärme bis zur Gemeindegrenze und die Verteilung müssen dann andere übernehmen. In Bubikon könnte das das Gemeindewerk Rüti sein. Das Problem ist, dass das frühestens 2030 realisiert werden kann. Alle, die ihre Heizungen jetzt ersetzen wollen, werden nicht darauf warten, was die Nachfrage nach Fernwärme verkleinern wird. Erste Überlegungen gehen nun dahin, die Leitungen schon vorzeitig mit einem Wärmeerzeuger zu realisieren, der allenfalls später zu einem Spitzenlastkessel umfunktioniert werden könnte. Diese Fragen sind wichtig und zentral für Bubikon. Hier müssen wir Lösungen aufzeigen.

«Das Projekt Fernwärme Zürcher Oberland könnte für Bubikon eine Alternative zum Gasnetz sein.»
Hans-Christian Angele

Wie sieht es bei den Finanzen aus? Ist eine Erhöhung des Steuerfusses angezeigt?

Wir haben den Steuerfuss ja erst kürzlich erhöht. Dass der Steuerfuss so bleiben wird, können wir aber trotzdem nicht garantieren. Zuerst müssen wir eine saubere Ausgangslage haben mit einem Budget für 2023 und der Finanzplanung für die nächsten vier Jahre. Die Gemeinde steht vor grossen Herausforderungen, weil man viele Investitionen und Unterhaltsausgaben aufgeschoben hat. Auch wissen wir noch nicht genau, was der Wegzug der Schulthess für uns bedeuten wird. Einen höheren Steuersatz kann man aber nur mit einem klaren Plan verkaufen und man muss aufzeigen, wo das Geld investiert werden soll.

War die Kommunikation der Gemeinde bis anhin nicht genügend?

Als normaler Bürger von Bubikon bin ich der Meinung, der Gemeinderat hat nicht gut kommuniziert und war immer in der Verteidigungsposition. Der Gemeinderat setzt ja nicht seine eigenen Ideen um, sondern die Anliegen der Bevölkerung. Und wenn diese etwas anderes will, müssen wir uns nicht verteidigen, sondern machen, was sie will.

Hat sich hier, auch durch den neuen Gemeindeschreiber, etwas verändert?

Auf jeden Fall! Schon mit dem vorhergehenden Springer, Stefan Woodtli. Das war wie Tag und Nacht. Urs Tanner ist sehr ruhig und sachlich. Er hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass wir mehr kommunizieren müssen. So geben wir jetzt beispielsweise nach jeder Gemeinderatssitzung eine Medienmitteilung heraus und zeigen auf, was besprochen wird uns was wir machen. Kommunikation ist heute das A und O.

Kommen wir zur Gemeindeversammlung und der Abstimmung über das Stammgleis…

Das war eine denkwürdige und sehr emotionale Gemeindeversammlung. Ich musste das Geschäft vertreten, habe mich entsprechend darauf vorbereitet und mich vorher mit der Firma Schulthess getroffen. Ich habe ihnen erklärt, dass es wichtig sei, dass sie an der Gemeindeversammlung deutlich machten, weshalb das Stammgleis eine Entwicklung verhindere. Den emotionalen Wert und die Einschränkungen für Firmen und Anwohner musste man in die Waagschale werfen. Doch die Ausführungen der Schulthess war dermassen dilettantisch, dass mir schnell klar war, die Abstimmung ist gelaufen. Sie gingen nicht darauf ein, was das Gleis für ihre Entwicklung bedeutet. Auch die ständige Betonung vom guten Steuerzahler war sicher nicht hilfreich.

Und jetzt zieht die Schulthess weg…

Der Wegzug der Geschäftsleitung der Schulthess hat damit nichts zu tun. Ich hatte schon davor wegen anderer Themen mehrmals Kontakt mit Thomas Marder und habe ihn auch auf einen allfälligen Wegzug angesprochen. Es wurde gesagt, das sei noch nicht spruchreif. Deshalb fühle ich mich jetzt nicht fair behandelt. Ich hätte erwartet, dass so ein wichtiger Akteur, den wir auch als solchen betrachten, sich uns gegenüber anders verhält.

«Ich fühle mich von der Firma Schulthess nicht fair behandelt.»
Hans-Christian Angele

Was meinen Sie damit?

Die Geschäftsleitung hätte uns im Vorfeld frühzeitig über den Wegzug informieren sollen. Der Gemeinderat ist jetzt desavouiert und hat keinen Spielraum mehr. Die am Standort Wolfhausen verbleibende Produktion der Schulthess hat aber weiterhin die gleichen Probleme.

Das ist bitter für die Bubiker Finanzen, oder?

Das kann man jetzt noch nicht genau abschätzen. Es wird eine Steuerausscheidung zwischen den Kantonen geben. Aber wie das genau aussieht, kann man jetzt noch nicht sagen. Deswegen lasse ich mir nicht noch mehr graue Haare wachsen. Firmen kommen und gehen, damit müssen wir leben. Sicher müssen wir für Firmen attraktiv bleiben, aber auch für Private. Was wir sicher auch brauchen werden, sind günstigere Wohnungen für junge Familien.

In der Kritik standen auch immer wieder die hohen Verwaltungskosten.

Das hängt damit zusammen, dass man in gewissen Ressorts personell sehr schwach dotiert ist, keine Mitarbeitenden findet und deshalb mit Externen arbeiten muss. Auch in meinem Ressort Hochbau haben wir momentan einen Springer als Abteilungsleiter. Doch wenn man einfach niemanden findet, der sich für den Job meldet, muss man sich mit Springern behelfen. Es ist ein harter Wettbewerb um die guten Leute. Der Einsatz von Springern hat aber auch seine positiven Seiten. Sie sind sehr erfahren und effizient.

Ist die Gemeinde Bubikon als Arbeitgeber zu wenig attraktiv?

Natürlich müssen wir uns das fragen. Wenn jemand ein Stelleninserat sieht und Bubikon nicht kennt, informiert sich die Person wahrscheinlich im Internet über die Gemeinde. Und da kommt dann der ganze Rattenschwanz von negativen Presseartikeln. Ändern können wir das nicht, nur jetzt einen guten Job machen, bis diese Artikel immer weiter nach unten rutschen.

«Wir müssen jetzt einen guten Job machen. Dann rutschen die negativen Schlagzeilen automatisch nach unten.»
Hans-Christian Angele

Zum Schluss: Was unternimmt die Gemeinde, damit die SBB Servicegleisanlage nicht doch noch nach Bubikon kommt?

Das Verfahren wurde gestoppt und geht zurück auf Feld 1. Das ist auch dem Engagement der Gemeinde zu verdanken, gemeinsam mit der IG Brach Fuchsbühl, der Fondation Franz Weber und den anderen betroffenen Gemeinden. Da werden wir sicher dranbleiben und uns bei der Suche nach geeigneten Standorten einbringen. Ich persönlich tendiere dazu, den Betzholzkreisel anzuschauen. Uns ist klar, dass es die Bahninfrastruktur braucht. Die Standortsuche war unserer Meinung aber nicht durchdacht.

Martina Gradmann