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Gossau ZH
11.04.2025
11.04.2025 01:33 Uhr

Leitung Bildung: Zwingend nötig oder utopisch?

Diskutierten zum Thema Leitung Bildung (v.l.): Patrick Umbach (Schulpflegepräsident von Gossau), Thomas Ludescher (Schulpräsident von Hinwil), Moderator David Ondraschek, Christian Gohl (Lehrer aus Gossau) und Claudio Zanetti (Präsident der SVP Gossau).
Diskutierten zum Thema Leitung Bildung (v.l.): Patrick Umbach (Schulpflegepräsident von Gossau), Thomas Ludescher (Schulpräsident von Hinwil), Moderator David Ondraschek, Christian Gohl (Lehrer aus Gossau) und Claudio Zanetti (Präsident der SVP Gossau). Bild: bt
Gestern Abend lud die Schulpflege Gossau ZH zur Informationsveranstaltung über die bevorstehende Abstimmung der Leitung Bildung und der Reduktion der Anzahl Schulpflegemitglieder. Fragen gab es vor allem bezüglich der Kosten und dem Aufgabengebiet der geplanten neuen Stelle Leitung Bildung. Die Reduktion der Schulpflege war kaum der Rede wert.

Am 18. Mai 2025 wird in Gossau ZH über zwei Bereiche der Gemeindeordnung abgestimmt. Eigentlich wollte der Gemeinderat die Gemeindeordnung gesamtrevidieren. Aber nachdem in der Vernehmlassung Bedenken gegenüber verschiedenen Revisionsvorschlägen geäussert worden sind, gelangt lediglich eine gekürzte Version zur Abstimmung (wir berichteten).

Leitung Bildung und reduzierte Schulpflege

Die teilrevidierte Gemeindeordnung sieht eine neue Stelle «Leitung Bildung» an der Schule Gossau ZH vor, die auf das Schuljahr 2026/27 eingeführt werden soll. Die Schaffung dieser Stelle gehört zu den Legislaturzielen 2022–2026 der Schulpflege. Gleichzeitig soll in der Gemeindeordnung die Reduktion der Anzahl Schulpflegemitglieder von heute sieben auf neu fünf festgelegt werden.

Am 10. April 2025 lud die Schulpflege zu einer öffentlichen Veranstaltung mit Podium in die Altrüti ein, um über die geplanten Änderungen zu informieren und Fragen zu beantworten. Gemeindepräsident Jörg Kündig begrüsste die geschätzten 60 Gäste im Saal und übergab das Wort sogleich an Debora Heusser, Vizepräsidentin der Schulpflege, sowie an das Schulpflegemitglied Andrea Hadorn.

Die Damen warfen in ihrer Präsentation zunächst einen Blick zurück auf die Entwicklung der Schule in den letzten Jahren. Die Anpassung der Führungsstruktur sei seit Jahren ein Thema, ebenso der Wunsch der Schulstandorte, mehr Unterstützung und Präsenz von ihren Schulleitungen zu erhalten. Die Einführung des Kompetenzzentrums Sonderpädagogik auf das Schuljahr 2024/25 sei ein wichtiger Entwicklungsschritt gewesen und ein voller Erfolg. Mit der Schaffung einer Leitung Bildung soll die Reorganisation nun abgeschlossen werden.

Bindeglied zwischen Schulpflege und Schulleitungen

Die Leitung Bildung mit 100-Prozent-Pensum soll als neue Schlüsselstelle zwischen der Schulpflege und den Schulleitungen zwischengeschaltet werden und operative Tätigkeiten übernehmen. Die Stelle soll dabei vor allem die Schulleitungen und auch die Schulpflege entlasten, die seit längerem mehrheitlich mit «Troubleshooting»-Aufgaben beschäftigt seien und sich nicht mehr um ihre Kernaufgaben wie die Schulentwicklung kümmern könnten.

Auch die Schulpflege sei mittlerweile zu stark in operative Aufgaben eingebunden, die im Milizsystem – also nebenamtlich – nicht mehr zu bewerkstelligen seien. Mit der Schaffung der Leitung Bildung könne die Schulpflege entlastet und dadurch auf fünf Mitglieder reduziert werden.

Der neuen Leitung Bildung würden gemäss gezeigtem Organigramm sowohl die Schulleitungen als auch die Sonderpädagogik, die Schul-IT und die Tagesstrukturen unterstellt, die Schulverwaltung wäre weiterhin direkt dem Schulpflegepräsidenten unterstellt.

RPK ist dagegen

«Die Leitung Bildung ist nicht ganz gratis», formulierte es Debora Heusser vorsichtig. Die Stelle soll – inkl. Beiträge und Nebenkosten – 230'000 Franken jährlich kosten. Durch die Reduktion der Anzahl Schulpflegemitglieder würden im Gegenzug ca. 40'000 Franken eingespart. Gemeinderat und Schulpflege empfehlen die Vorlage zur Annahme.

Heusser räumte ein, dass die Rechnungsprüfungskommission (RPK) die Vorlage ablehne. Die Kosten seien aus deren Sicht in Anbetracht der finanziellen Lage der Gemeinde unrealistisch.

Weiterer Haken

Nebst den hohen Kosten hat das Vorhaben einen weiteren Haken: Damit die Schule Gossau überhaupt eine Leitung Bildung schaffen kann, muss sie organisatorisch über mindestens drei Schuleinheiten verfügen. Sie hat aber heute nur deren zwei – Primarschule und Oberstufe.

Darum will die Schulpflege die Schule nun bereits auf das bevorstehende Schuljahr 2025/26 – dieses beginnt in gerade einmal fünf Monaten – um eine Schuleinheit erweitern und umorganisieren. Neu soll die Schule aus der Einheit Primarschule Dorf, Primarschule Wachten und Sekundarschule bestehen (wir berichteten).

In der Podiumsdiskussion hatte ein Lehrer, der seit 22 Jahren an der Primarschule in Bertschikon unterrichtet, eine klare Meinung dazu: «Diese Umstrukturierung ist zeitlich nicht umsetzbar und ein Rückschritt in die Vergangenheit.» Gossau sei nicht bereit für eine Leitung Bildung. Er sehe aktuell keine Anhaltspunkte, warum er am 18. Mai ein Ja in die Urne legen sollte.

«Mit dem aktuellen Eigenfinanzierungsgrad kann sich Gossau solche Kosten schlicht nicht leisten.»
Claudio Zanetti, Präsident SVP Gossau ZH

«Aufgeblähter Verwaltungsapparat»

Auch Podiumsteilnehmer Claudio Zanetti, alt Nationalrat und Präsident der SVP Gossau, sieht in der Schaffung einer Leitung Bildung vor allem eines: Ein weiteres Aufblähen des Verwaltungsapparates mit gleichzeitiger Schwächung des Milizsystems. Mit dem aktuellen Eigenfinanzierungsgrad könne sich Gossau solche Kosten zudem schlicht nicht leisten.

«Die Bürokratie wurde dank der Leitung Bildung abgebaut, es hat sich vieles entspannt.»
Thomas Ludescher, Schulpräsident von Hinwil

«Leitung Bildung bringt Entlastung»

Zur Podiumsdiskussion eingeladen war auch Thomas Ludescher, Schulpräsident von Hinwil. Die Schulgemeinde Hinwil hat – wie diverse andere Gemeinden im Bezirk – bereits eine Leitung Bildung eingeführt.

«Die Leitung Bildung bringt Entlastung und stärkt das Milizsystem sogar», sagte Ludescher. Der Leiter Bildung kümmere sich um übergeordnete Aufgaben, für welche die Schulleitungen keine Zeit hätten und welche die Schulpflege im Teilzeitpensum schlicht nicht bewältigen könne. «Gerade wenn man ein Milizsystem haben will, braucht es eine Leitung Bildung», sagte Ludescher.

Die Schule Hinwil habe 250 Angestellte und 1'250 Schüler. «Das ist die Grösse eines KMU. Ein KMU durch eine Laienbehörde führen zu wollen, ist unseriös.» Es brauche wie in einem Unternehmen zudem zwingend eine Trennung von strategischen und operativen Aufgaben. 

Mit der Schaffung der Leitung Bildung seien die Schulleitungen in Hinwil entlastet worden und hätten mehr Zeit für eine Präsenz vor Ort. «Die Bürokratie wurde dank der Leitung Bildung abgebaut, es hat sich vieles entspannt», so Ludescher weiter. Er betonte aber, dass der Bewerbungsprozess anspruchsvoll sei, man genau hinschauen und auch die Schulleitungen mit einbeziehen müsse.

«Eierlegende Wollmilchsau?»

In der anschliessenden Fragerunde wurde vor allem das umfassende Aufgabengebiet der Leitung Bildung infrage gestellt und ob eine einzelne Person so viele Kriterien und Anforderungen, die von Seiten Schulpflege, Schulleitungen und Lehrpersonen an sie gestellt werden, überhaupt erfüllen könne. Ein Teilnehmer sagte: «Sucht man da nicht die eierlegende Wollmilchsau?». Ein anderer nannte es «Übermensch» und ein Dritter «Superman». Schulpflegepräsident Patrick Umbach sagte dazu: «Die Person muss viele Qualitäten haben, ja. Es ist ja aber auch ganz klar eine Managementfunktion.»

Reduktion der Schulpflege kaum der Rede wert

Der zweite Punkt der teilrevidierten Gemeindeordnung, die Reduktion der Anzahl Schulpflegemitglieder von sieben auf fünf, war an diesem Abend kaum Thema. Dabei stellen sich auch hier einige Fragen. Wie will eine Schulpflege, die bereits heute überlastet zu sein scheint, gleichzeitig innerhalb von wenigen Monaten ganze Schuleinheiten umstrukturieren? Wie will eine von sieben auf fünf Personen reduzierte Schulpflege eine Schlüsselposition wie die Leitung Bildung einführen und das mitten im Prozess der Erneuerungswahlen 2026–2030? Um diese Fragen zu beantworten, bräuchte es wohl einen weiteren Informationsanlass.

Barbara Tudor