In Gossau ZH ist nach der geltenden Gemeindeordnung der Gemeinderat zur Erteilung des Gemeindebürgerrechts zuständig. Zusätzlich gibt es einen von den Stimmberechtigten in der Gemeindeordnung eingesetzten Bürgerrechtsausschuss, der mit Einschluss des Präsidenten aus drei Mitgliedern des Gemeinderats besteht. Dieser Bürgerrechtsausschuss entscheidet über die Erteilung des Gemeindebürgerrechts, soweit eine Pflicht zur Aufnahme besteht. In den übrigen Fällen stellt er Antrag an den Gemeinderat.
Nach Art. 21 der Kantonsverfassung (KV) muss die Gemeindeordnung festlegen, ob ein von den Stimmberechtigten gewähltes Organ oder die Gemeindeversammlung das Gemeindebürgerrecht erteilt.
Neue Regelungen seit 2013
Am 1. Juli 2023 sind das neue kantonale Bürgerrechtsgesetz (KBÜG) und die kantonale Bürgerrechtsverordnung (KBÜV) in Kraft getreten. Das KBÜG hält in Übereinstimmung mit der Kantonsverfassung ebenfalls fest, dass das in der Gemeindeordnung bezeichnete Organ über die Erteilung des Gemeindebürgerrechts entscheidet. Das KBüG gilt für Einbürgerungen von Schweizer/innen wie auch von Ausländer/innen.
Nicht mehr erlaubt ist, dass die Gemeindeversammlung über einen Teil der Einbürgerungen und der Gemeinderat über einen anderen Teil der Einbürgerungen entscheidet.
Für die Zeit, bis die Gemeindeordnungen angepasst werden können, trifft das Gesetz eine Übergangslösung (§ 22 KBÜG). Die Übergangsbestimmung gelte für Gossau jedoch nicht, wie der Gemeinderat in seiner Mitteilung schreibt, weil in Gossau keine Aufsplittung der Zuständigkeiten zwischen Gemeindeversammlung und Gemeinderat bestehe.
Regelung mit Knackpunkten
«Die Regelung in Gossau ist aber in anderer Hinsicht problematisch und sollte innerhalb der Übergangsfrist angepasst werden», schreibt der Gemeinderat weiter. Einerseits sei sie nicht wirklich klar.
Gemäss Gemeindeordnung (GO) ist der Gesamtgemeinderat für die Erteilung des Gemeindebürgerrechts zuständig. Diese Zuständigkeit sei unübertragbar und uneingeschränkt formuliert für alle Einbürgerungen. Dennoch seien Zuständigkeiten in der GO an den Bürgerrechtsausschuss delegiert worden. Andererseits verlangen Kantonsverfassung und Kantonales Bürgerrechtsgesetz, dass ein von den Stimmberechtigten gewähltes Organ oder die Gemeindeversammlung das Gemeindebürgerrecht erteilt.
Das Gemeindegesetz (GG) definiert Gemeindeorgane klar. Danach sind neben den Stimmberechtigten und der Gemeindeversammlung folgende Behörden Gemeindeorgane: der Gemeindevorstand (Gemeinderat), die Schulpflege und eigenständige Kommissionen. Der Bürgerrechtsausschuss ist keine solche von den Stimmberechtigten gewählte eigenständige Kommission und könne deshalb nicht über Einbürgerungen entscheiden. Alle vorbereitenden Handlungen seien dagegen zulässig.
«Aus diesen Gründen ist in Übereinstimmung mit dem übergeordneten Recht und aufgrund der Formulierung der GO davon auszugehen, dass der Gemeinderat zur Erteilung des Gemeindebürgerrechts alleine zuständig ist. Die Artikel in der GO über den Bürgerrechtsausschuss seien trotzdem innert der der KBÜG gesetzten Frist von vier Jahren aufzuheben.
Über die Erteilung des Gemeindebürgerrechts entscheide einzig noch der Gemeinderat. Dabei handle es sich um eine unübertragbare Aufgabe, und die GO sei somit unverändert beizubehalten.
Übergangslösung bis zur Urnenabstimmung
In Gossau ZH werden derzeit verschiedene Änderungen der Gemeindeordnung geprüft (wir berichteten). Im Zuge dieser Revision sollen auch die rechtlich nicht mehr zulässigen Normen zum Bürgerrechtsausschuss aufgehoben werden. Änderungen der Gemeindeordnung müssen von den Stimmberechtigten an der Urne beschlossen werden. «Eine solche Urnenabstimmung braucht genügende Vorlauf und verursacht Kosten», schreibt der Gemeinderat in seiner Mitteilung weiter. Es sei deshalb sinnvoll, alle Änderungen der Gemeindeordnung den Stimmberechtigten an einer Urnenabstimmung gesammelt vorzulegen.
Bürgerrechtsausschuss entscheidet nicht mehr über Einbürgerungen
Bis zu diesem Zeitpunkt werde der Bürgerrechtsausschuss zwar bestehen bleiben, aber nicht mehr über Einbürgerungen entscheiden. Der Bürgerrechtsausschuss besteht aus Mitgliedern des Gemeinderats, es sind keine speziell für den Ausschuss beigezogenen externen oder gar gewählte Personen durch diesen Entscheid betroffen.
Nach dem Gemeindegesetz sei es dem Gemeinderat überlassen, wie er sich – in Übereinstimmung mit übergeordnetem Recht – organisiert. Zu beschliessen, dass ein Teil seiner Mitglieder nicht mehr zur Vorbereitung von Bürgerrechtsgeschäften zusammenkommen, liege in seiner Kompetenz.
Weil die Gemeindeordnung mit den Bestimmungen zum Bürgerrechtsausschuss übergeordnetem Recht widerspreche und in sich widersprüchlich sei, seien diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden.
Gesamt-Gemeinderat entscheidet über Einbürgerungen
Der Gemeinderat Gossau ZH hat am 7. Februar 2024 einen Entscheid über die Handhabung während der Übergangsphase beschlossen. Die Übergangsphase sollte bis zur nächsten Totalrevision der Gemeindeordnung im Jahr 2025, geplante Inkraftsetzung per 1 . Januar 2026, andauern. Da sich die geplante Totalrevision der Gemeindeordnung zeitlich verzögert, werde die kantonal vorgegebene Übergangsfrist von vier Jahren unter Umständen nicht eingehalten werden können.
Der Gesamtgemeinderat werde deshalb künftig auf Antrag des Ressortvorstehers Sicherheit, öffentlicher Verkehr und Abfall über die Erteilung des Gemeindebürgerrechts entscheiden. Die Zuständigkeit für die Erteilung des Gemeindebürgerrechts werde sodann im Rahmen der anstehenden Totalrevision der Gemeindeordnung neu diskutiert.
Eine formelle Aufhebung des Bürgerrechtsausschusses könne jedoch erst mit der Totalrevision der Gemeindeordnung erfolgen. Um bis dahin ein rechtskonformes Verfahren sicherzustellen, müsse das Geschäftsreglement des Gemeinderats entsprechend angepasst werden. Es betreffe dies Art. 27 und Art. 28 GRG.
Anträge zur Erteilung des Gemeindebürgerrechts sollen künftig direkt vom Ressortvorsteher Sicherheit, öffentlicher Verkehr und Abfall an den Gemeinderat gestellt werden. Die Zuständigkeit liege beim Gesamtgemeinderat. Durch die Anpassung des GRG werde die Organisation der Einbürgerungsverfahren klar und gesetzeskonform geregelt.