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Grüningen
21.02.2025
21.02.2025 09:22 Uhr

«Die Schule kann stolz sein auf ihre geringe Fluktuation»

Die (Noch-)Schulpräsidentin Karin Jeber freut sich, wenn sie als Gemeinderätin künftig mehr Zeit für ihre Familie und ihre Freunde hat.
Die (Noch-)Schulpräsidentin Karin Jeber freut sich, wenn sie als Gemeinderätin künftig mehr Zeit für ihre Familie und ihre Freunde hat. Bild: zvg
Diesen Sommer wird die Schulpräsidentin Karin Jeber ihr Amt an eine Nachfolge weitergeben und in den Gemeinderat wechseln. Wir haben sie zu den Herausforderungen der Schulbehörde befragt und auch, ob man am Schulsystem nicht einiges überdenken müsste.

Sie geben das Schulpräsidium ab und wechseln innerhalb des Gemeinderats in ein anderes Ressort. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Karin Jeber: Mein privates und berufliches Leben schickt mich im Sommer auf eine neue Reise, welche mehr Zeitressourcen bindet. Da ich das Amt als Schulpräsidentin als zeitintensiv wahrgenommen habe, wird aufgrund meiner Veränderungen der Aufwand nicht mehr möglich sein.

Konnte schon eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gefunden werden?

Ja, während der 40-tägigen Frist ging ein Wahlvorschlag ein. Die Publikation der Kandidatur erfolgte am 7. Februar und die Nachfrist lief bis am 14. Februar 2025. Sofern keine weitere Kandidatur eingeht, wird der Vorgeschlagene voraussichtlich am 11. März 2025 durch den Gemeinderat in stiller Wahl gewählt. Danach erfolgt die Publikation der Wahl. 

Dann wird also ein Mann das bisherige Frauengremium leiten?

Ja, es wird ein Mann sein. Ich persönlich finde es gut, wenn vermehrt auch Männer in der Schulbehörde Einsitz nehmen. In welcher Funktion, spielt dabei keine Rolle.

Welches sind die grössten Herausforderungen einer Schulpräsidentin, eines Schulpräsidenten?

Die Herausforderung besteht in der Führungsstruktur, da verschiedene Führungsgremien wie Schulleitung, Schulpflege, Gemeinderat und Kanton bei der Schulsteuerung beteiligt sind.

Auch die Schulleitungsstellen müssen neu besetzt werden. Konnte schon Ersatz gefunden werden?

Bei der Besetzung der vakanten Schulleiterstelle sind wir noch immer im Bewerbungsprozess.

«Das Volksschulamt gibt vor, wie viele Klassen geführt werden können.»
Karin Jeber

Lehrpersonenmangel und häufige Wechsel sind in vielen Gemeinden ein Problem, auch in Grüningen. Vermehrt ist Unmut bei den Eltern und den LehrerInnen zu spüren. Was sagen Sie dazu?

Die Volksschule verzeichnet seit einigen Jahren steigende Schülerzahlen und einen ausgeprägten Fachkräftemangel. Das Volksschulamt stellt schon länger einen Lehrpersonenmangel fest. Um diesem entgegenzuwirken, wurden diverse Massnahmen wie Erhöhung der Studienplätze, Quest-Lehrgang usw. getroffen. Die Schule Grüningen kann stolz darauf sein, dass sie eine geringe Fluktuation aufweist und viele langjährige Mitarbeitende hat. Trotzdem gibt es auch in Grüningen Wechsel, und natürlich sind diese für die betroffenen Kinder und Eltern immer eine unerwünschte Situation. Einen Unmut deswegen verspüren wir jedoch nicht. 

Der Kindergarten Aussergass wurde geschlossen, obwohl die Schule wegen steigender Schülerzahlen mehr Platz braucht. Was passiert jetzt mit dem Kindergartengebäude?

Wir mussten die Kindergärten um eine Klasse reduzieren, da die Zahl der Kindergartenkinder gesunken ist. Die Zahl der Primarschüler ist jedoch gestiegen, weshalb mehr Schulraum benötigt wurde. Der Kindergarten Aussergass 4 wird während des laufenden Schuljahres renoviert. Im Sommer 2025 wird wieder eine Kindergartenklasse in die Räume einziehen.

Immer grössere Klassen verunmöglichen es dem Lehrpersonal, auf die Kinder einzugehen. Wie kann man das Problem lösen?

Im Kanton Zürich sind die Klassengrössen durch das Volksschulgesetz und die entsprechenden Verordnungen geregelt. In der Regel dürfen folgende Klassengrössen nicht überschritten werden: Kindergarten 21 Schüler, Primarstufe 25 Schüler, Sekundarstufe je nach Niveau 18–25 Schüler. Die Klassengrösse kann jedoch um bis zu drei Schüler überschritten werden. Das Volksschulamt gibt vor, wie viele Klassen geführt werden können. 

Die Schulen können daher nicht frei entscheiden, wie viele Klassen sie bilden möchten. Bei grossen Klassen können die Lehrpersonen zum Beispiel mit dem Einsatz von Klassenassistenzen unterstützt werden, was in Grüningen auch so gehandhabt wird.

Wenn immer häufiger Eltern ihre Kinder aus der Volksschule nehmen, Homeschooling mit ihnen machen oder sie in Privatschulen geben, schadet das der Volksschule. Wie kann die Volksschule dem entgegenwirken?

Ich bin nicht der Meinung, dass es der Volksschule schadet, wenn Eltern ihre Kinder aus der Volksschule nehmen und im Homeschooling oder in Privatschulen beschulen. Das Volksschulgesetz sieht vor, dass Kinder im schulpflichtigen Alter beschult werden müssen. Es steht den Eltern frei, die Schulpflicht ihres Kindes in einer Privatschule wahrzunehmen. Homeschooling ist im Kanton Zürich für maximal ein Jahr möglich, wenn die Eltern nicht über eine abgeschlossene Lehrerausbildung verfügen. Wir können in Grüningen keine Zunahme der privat beschulten Kinder feststellen, die Zahl liegt seit Jahren im gleichen Rahmen.

«Die Volksschule musste sich stetig weiterentwickeln und wird das auch in Zukunft tun.»
Karin Jeber

Muss sich die Volksschule reformieren?

In den 175 Jahren ihres Bestehens hat sich die Zürcher Volksschule stetig weiterentwickelt und dabei mehrere zentrale Meilensteine erreicht. Mit dem Unterrichtsgesetz von 1859 wurden erstmals verbindliche Regeln für das Schulwesen geschaffen, die eine Grundlage für ein systematisches Bildungssystem im Kanton Zürich bildeten.

Zehn Jahre später, 1869, wurde der Schulartikel in die Kantonsverfassung aufgenommen, wodurch die Bedeutung der Bildung verfassungsrechtlich verankert und sowohl die Schulpflicht als auch das Recht auf Bildung gestärkt wurden. Ein weiterer entscheidender Schritt war der Erlass des Volksschulgesetzes von 1899, das fast das gesamte 20. Jahrhundert die Organisation und den Betrieb der Volksschule regelte und somit eine tragende Säule des Bildungssystems war.

Erst 2002 wurde das veraltete Unterrichtsgesetz durch das neue Bildungsgesetz abgelöst, das den modernen Anforderungen besser gerecht wurde. Das Volksschulgesetz von 2005, das schrittweise eingeführt wurde, brachte schliesslich wesentliche Neuerungen wie die Einführung des Zürcher Lehrplans, die Förderung von Tagesstrukturen und integrativen Ansätzen sowie Anpassungen an die Herausforderungen der heutigen Gesellschaft. Diese Meilensteine verdeutlichen, wie sich die Zürcher Volksschule kontinuierlich an gesellschaftliche und pädagogische Veränderungen angepasst hat, um ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden.

So, wie sich die Volksschule in den letzten 175 Jahren verändert hat und auch verändern musste, so wird sie sich auch in den nächsten 175 Jahren verändern und verändern müssen.

Dieser Artikel ist am 21. Februar 2025 in der Grüninger Post erschienen.

Martina Gradmann