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Gossau ZH
23.08.2024
24.09.2024 14:43 Uhr

Abwassergebühren: «Eine Umstellung auf abflusswirksame Flächen wäre aufwändig»

Die Gemeinde Gossau begründet die massiven Preiserhöhungen mit erheblichen Investitionen im Abwasserbereich, u.a. auch bei der ARA Gossau Grüningen (Archivbild)
Die Gemeinde Gossau begründet die massiven Preiserhöhungen mit erheblichen Investitionen im Abwasserbereich, u.a. auch bei der ARA Gossau Grüningen (Archivbild) Bild: ARA Gossau Grüningen
Die Gemeinde Gossau ZH hat die Abwassergebühren wegen Verschuldung um 30 Prozent angehoben (wir berichteten). Auf Anfrage von Zürioberland24 nimmt die Gemeindeverwaltung Stellung.

Die Bauabteilung schreibt in ihrer Mitteilung von einer überdurchschnittlichen Verschuldung, welche sich über die letzten Jahre / Jahrzehnte angehäuft habe. Wie kam es dazu?

Das Abwasserwesen wird als Spezialfinanzierung ausschliesslich über Gebühren finanziert, ohne den Einsatz von Steuergeldern. In den letzten Jahren waren erhebliche Investitionen im Abwasserbereich nötig, insbesondere ging es dabei um Erneuerungen aufgrund des Gewässerschutzes bzw. des Zustandes der Kanalisation, um Massnahmen infolge hydraulischer Probleme oder um nötige Systemanpassungen. Auch in der Abwasserreinigung (Zweckverband ARA Gossau-Grüningen) mussten Investitionen getätigt werden. 

Die Gebührentarife werden nicht jährlich angepasst, sondern über einen längeren Zeitraum konstant gehalten, um den Grundeigentümern Planungssicherheit zu bieten.

Hat der Gemeinderat über diese Verschuldung informiert?

Die Verschuldung wurde regelmässig in den Rechnungsabschlüssen der Gemeinde ausgewiesen, welche von der Gemeindeversammlung genehmigt wurden. Am 20. November 2023 hat die Gemeindeversammlung im Rahmen der Totalrevision der Gebührenverordnung ein neues Modell für Abwasseranschlussgebühren beschlossen. Dabei informierte der Gemeinderat auch über die finanzielle Situation und präsentierte entsprechende Folien.

«Ein direkter Vergleich der Abwassergebühren zwischen Gemeinden und Städten ist schwierig.»
Gemeinde Gossau ZH

Die Abwassergebühren der Gemeinde Gossau lagen bereits vor der Erhöhung über jenen von anderen Gemeinden. Nun werden die Unterschiede noch frappanter. Was sagen Sie dazu? 

Ein direkter Vergleich der Abwassergebühren zwischen Gemeinden und Städten ist schwierig, da jede Gemeinde/Stadt ein eigenes Gebührenmodell hat. In Gossau wird das Modell der zonengewichteten Flächen verwendet, während andere Gemeinde/Städte andere Modelle wie beispielsweise befestigte Flächen oder Staffel-Tarife nutzen. Daher ist ein Vergleich des reinen m3-Preises ohne Berücksichtigung des Modells nicht aussagekräftig.

Letztlich müssen die Ausgaben und Investitionen langfristig durch Gebühren gedeckt werden. Das weitverzweigte Abwassernetz in Gossau verursacht aufgrund der zahlreichen Weiler und Wachten höhere Kosten als dies in kompakteren Siedlungen der Fall ist.

Die Gemeinde Gossau rechnet mit einem Zonentarif, der mit der Grundstückfläche und der Gebühr multipliziert wird. Warum das? 

Es gibt diverse Modelle zur Erhebung von Abwassergebühren. In Gossau wird unterschieden zwischen Anschluss- und Benutzergebühren, wobei letztere aus einer Grundgebühr, basierend auf der zonengewichteten Grundstücksfläche, und einer Mengengebühr, basierend auf dem Wasserverbrauch, bestehen. Dieses Modell ist seit Jahren im Einsatz und wurde bei der letzten Totalrevision der Gebührenverordnung beibehalten. Die Zonengewichtung berücksichtigt den potenziellen Verdichtungs- und Ausnützungsgrad in der jeweiligen Zone, sodass in dichter bebauten Zonen höhere Gebühren anfallen.

Als Grundlage für die Berechnung wird die gesamte Grundstückfläche verwendet, auch wenn die Immobilie darauf u.U. bedeutend kleiner ist. Das Regenwasser versickert also mehrheitlich und fliesst nicht in die Abwasserleitungen. Wieso diese Berechnungsweise? 

Jedes Gebührenmodell hat seine Vor- und Nachteile, und es ist schwierig, eine Lösung zu finden, die für jeden Grundeigentümer völlig gerecht ist. Die aktuelle Gebührenverordnung verlangt, dass über die ganze Gemeinde betrachtet 30 % der Einnahmen durch Grundgebühren und 70 % durch Mengengebühren gedeckt werden. Dabei wird nicht unterschieden, ob eine Fläche abflusswirksam ist oder nicht. Eine Umstellung auf abflusswirksame Flächen würde eine Revision der Gebührenverordnung erfordern und wäre technisch aufwändig. Angesichts des bereits hohen Bebauungsgrads sind verhältnismässig wenige Grundstücke betroffen. Eine Modellanpassung würde dazu führen, dass viele Grundeigentümer/innen mehr bzw.. viele weniger zahlen müssten, ohne dass die Gesamteinnahmen reduziert werden könnten. 

Mit wie vielen Mehreinnahmen rechnen Sie durch diese Erhöhung pro Jahr?

Die Gemeinde erwartet durch die Erhöhung der Abwassergebühren im Jahr 2024 zusätzliche Einnahmen von rund 700'000 Franken.

Die Bauabteilung schrieb in ihrer Mitteilung von anstehenden Investitionen, die getätigt werden müssen. Können Sie präzisieren, um welche?

  • Quartier Galtberg, Gossau-Dorf: ca. Fr. 710'000.00 (2025)
  • Grütstrasse (Ortsdurchfahrt Gossau-Dorf im Zusammenhang mit Bachdurchlass und Strassenerneuerung des Kantons): ca. Fr. 3 Mio. (2025/26)
  • Grüningerstrasse (Ortsdurchfahrt Grüt im Zusammenhang mit Strassenerneuerung des Kantons): ca. Fr. 1.5 Mio. (2027/28)
  • Quartier Lindenhof-/Neuguetstrasse, Grüt: ca. Fr. 1.5 Mio.
  • Sanierung Regenbecken: ca. Fr. 500'000.00 (2025/26)
  • Kanalinnensanierungen: ca. Fr. 100'000.00 pro Jahr
  • verschiedene weitere Projekte

Sind weitere Preiserhöhungen geplant?

Die aktuelle langfristige Finanzplanung sieht vor, die Gebühren in den nächsten vier Jahren nicht weiter zu erhöhen. Danach könnte eine Erhöhung nötig werden, jedoch nicht mehr in dem Ausmass wie zwischen 2023 und 2024.

Besitzer von Mehrfamilienhäusern dürften die Mehrkosten direkt auf die Mieter abwälzen, die sonst schon mit hohen Energiepreisen konfrontiert sind. Was sagen Sie dazu?

Die Abwassergebühren werden im Rahmen der Nebenkostenabrechnung üblicherweise auf die Mieterinnen und Mieter nach dem Verursacherprinzip umgelegt. Die steigenden Energiepreise betreffen auch das Abwasserwesen, da beispielsweise die höheren Stromkosten den Betrieb der Pumpen und der Abwasserreinigungsanlage verteuern.

An der Gemeindeversammlung vom 20. November 2023 wurden neue Abwasseranschlussgebühren eingeführt, die einmalig bei An- oder Neubauten etc. erhoben werden. Vor dieser Änderung war es möglich, beim Abriss einer kleinen Liegenschaft und der Errichtung einer grossen Überbauung keine zusätzlichen Gebühren zu zahlen, obwohl die Belastung des Abwassernetzes dadurch deutlich zunahm. Die neuen Anschlussgebühren werden ausschliesslich von der jeweiligen Bauherrschaft getragen und kommen somit indirekt allen anderen angeschlossenen Grundeigentümern zugute. Mit dieser Massnahme hat der Gemeinderat aktiv dazu beigetragen, die Abwasserfinanzen langfristig zu stabilisieren.

Die Fragestellungen und Antworten erfolgten schriftlich.

Preisüberwacher hatte Erhöhung nicht befürwortet

Gemeinden und Kantone, welche Gebühren im Bereich der Abwasserentsorgung festlegen, müssen den Preisüberwacher anhören, bevor die zuständige Behörde den Gebührenentscheid definitiv fällt. Ende April 2023 hatte die Gemeinde Gossau ZH die entsprechenden Unterlagen beim Preisüberwacher eingereicht. Mit Schreiben vom 3. Juli 2023, das öffentlich einsehbar ist, hatte der Preisüberwacher der Gemeinde Gossau ZH folgendes empfohlen:

  • Ein Grundgebührenmodell einzuführen: Bei Beibehaltung des Gebührenmodells mit den bauzonengewichteten Grundstücksflächen, die jährlichen Grundgebühren in der Höhe des aufgrund der effektiven Geschossfläche berechneten Wertes – analog der Liegenschaften ausserhalb der Bauzone – zu begrenzen, wenn dieser deutlich unter dem theoretisch berechneten Wert der entsprechenden Bauzone liegt.
  • Sicherzustellen, dass der Kanton und die Gemeinde ihren Anteil an die Kosten der Strassenentwässerung bezahlen.
  • Dafür zu sorgen, dass mit der Änderung der Bemessungsgrundlage für die Anschlussgebühren sich diese für keinen Liegenschaftstypen um mehr als 20 % verändern.

Den ausführlichen Bericht vom Preisüberwacher und seine Empfehlung kannst du im Dokument nachlesen.

Barbara Tudor