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Grüningen
06.06.2024
06.06.2024 09:39 Uhr

Der verlorene Brautkranz

Bild: AdobeStock
Ein Märchen von Piroska Marczi aus Grüningen.

An einem schönen Frühlingstag ist Anna aufgebrochen, um ihre Oma zu besuchen. Sie war nämlich verlobt und die Grossmutter hatte ihr schon früher versprochen, dass sie ihr, wenn sie heiratet, ihren eigenen Brautkranz schenkt.

Der Weg zu ihr dauerte einen Tag lang durch den Wald, und die beiden hatten grosse Freude am Wiedersehen.

Die Oma hat vor lauter Begeisterung gekocht und gebacken, sie wollte ihre Enkelin verwöhnen. Der Korb, den sie ihr mitgab, war vollgepackt mit Köstlichkeiten und zuoberst wurde der Brautkranz gelegt. Der Weg zurück war auch nicht kürzer, aber einmal kam ein sehr heftiger Windstoss und der Kranz wurde unbemerkt weggeweht.

Kurz darauf kamen Reiter und an ihrer ungepflegten Kleidung und wildem Benehmen erkannte man, dass es Räuber waren. Auch hatten sie ihren Pferden die Hufe umgekehrt angeschlagen, um bei Verfolgung Verwirrung zu stiften.

Der schöne Brautkranz baumelte am Ohr eines Pferdes.

Das Mädchen bettelte, «Bitte, bitte gebt mir meinen Brautkranz zurück.» «Bei uns tragen die Bräute Besen in der Hand und nicht ein Kranz auf dem Kopf», lachte ein Bandit. Damit stieg er vom Pferd, verband dem Mädchen die Augen und hob es auf einen Sattel…

Angekommen im Haus der Räuber, verriet schon die Unordnung draussen, wie das Innere aussieht.

Dann packten die Räuber ihre gestohlenen Sachen auf den Tisch und begannen zu trinken.

Tag für Tag arbeitete das Mädchen fleissig und machte aus der Räuberhöhle eine gemütliche Behausung und die Räuber schätzten das sehr. Wenn sie von ihren Raubzügen zurückkamen, riefen sie Anna zu sich, und sie hätte als Erste aus den schönen Sachen, Stoffe oder Geschmeide, auslesen dürfen, aber sie sagte immer: «Am meisten Freude macht mir, dass ich meine Arbeit gut erledige.»

Eines Tages, nach einem Trinkgelage fand das Mädchen den Anführer ganz nachdenklich. Am folgenden Tag versammelte er alle seine Banditen und sagte: «Wir lassen Anna frei und lösen unsere Räuberbande auf, wenn einem die Arbeit so glücklich macht, dann probieren wir das auch.»

Darauf konnte das Mädchen endlich heiraten, und als sie strahlend aus der Kirche kam, standen zu ihrer grossen Überraschung alle ehemaligen Räuber ordentlich gekleidet Spalier und jeder überreichte einen kleinen Wiesenblumenstrauss. Das Mädchen hat sich gewundert, was ein verlorener Brautkranz alles bewirken kann. Oder war es doch nicht nur der Kranz?

Die Ungarin Piroska Marczi aus Grüningen liebt es, Märchen zu schreiben. Bild: Martina Gradmann
Piroska Marczi