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Gossau ZH
09.03.2024
09.03.2024 13:28 Uhr

Deponie Wissenbüel: Wärmeentwicklung durch reaktive Filteraschen

Von 1972 bis 2008 wurde in der Deponie Wissenbüel in Herschmettlen (Gossau ZH)  370'000 m3 Schlacken deponiert.
Von 1972 bis 2008 wurde in der Deponie Wissenbüel in Herschmettlen (Gossau ZH) 370'000 m3 Schlacken deponiert. Bild: Google StreetView
Mitte Dezember 2023 reichten drei Gossauer Politiker eine Anfrage zur Deponie Wissenbüel beim Regierungsrat ein. Nun liegen die Antworten vor. Der Regierungsrat bestätigt zwar die Wärmeentwicklung durch zementverfestigte Filteraschen, welche dort zwischen 1972 und 2008 deponiert wurden. Der vorzeitige Baumwachstum verortet er aber anderswo.

Am 11. Dezember 2023 reichten die Kantonsrätin Elisabeth Pflugshaupt (SVP), der Kantonsrat Daniel Wäfler (SVP) sowie der Gossauer Gemeindepräsident Jörg Kündig (FDP) eine Anfrage beim Regierungsrat ein mit verschiedenen Fragen zur inaktiven Deponie Wissenbüel auf Gossauer Gemeindeboden (Zürioberland24 berichtete).

Die Absender wollten u.a. von der Regierung wissen, welche Materialien bisher abgelagert wurden, wie viel Kapazität es noch hat und wie der Regierungsrat gedenke, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Schlackendeponien den Boden über Jahrzehnte erwärmen und somit das Wachstum von Pflanzen extrem beeinflussen.

Für Schlacke von Typ D kaum nutzbar

Die Frage, was in der Deponie Wissenbüel abgelagert wurde, beantwortet der Regierungsrat so: «In der Deponie Wissenbüel wurden von 1972 bis 2008 Schlacken aus Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), Klärschlamm, Bauabfälle und zementverfestigte Filteraschen abgelagert. Es wurden insgesamt 370 000 m3 Material abgelagert.»

Das noch verfügbare Volumen betrage rund 100'000 m3, wovon aufgrund der geringen Schüttmächtigkeiten jedoch nur rund 20'000 m3 für KVA-Schlacke (Typ D) nutzbar seien. Das restliche Volumen könne nur für wenig oder nicht belastetes Material genutzt werden.

«Keine Gefährdung für Mensch und Umwelt»

Die Frage, wie regelmässig und nach welchen Kriterien die Deponie Wissenbüel auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werde, antwortet der Regierungsrat: «Sämtliche Deponien, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (VVEA) am 1. Januar 2016 erstellt wurden, mussten einer umfangreichen Gefährdungsabschätzung gemäss VVEA unterzogen werden.»

Die Gefährdungsabschätzung habe für die Deponie Wissenbüel ergeben, dass keine Gefährdung für Mensch oder Umwelt bestehe und eine solche auch in Zukunft nicht erwartet werde. Die Deponie werde laufend überwacht und sämtliche Messungen würden jährlich in einem Bericht dokumentiert.

Der Standort der inaktiven Deponie Wissenbüel in Herschmettlen (Gemeinde Gossau ZH). Bild: Google StreetView
«Die Wärmeentwicklung bei der Deponie Wissenbüel kommt vermutlich von den zementverfestigten Filteraschen, welche erfahrungsgemäss sehr reaktiv sind.»
Zürcher Regierungsrat

Bezüglich der Frage, wie der Regierungsrat gedenke, auch im Rahmen der Gesamtplanung, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Schlackendeponien den Boden über Jahrzehnte erwärmen und somit das Wachstum der Pflanzen extrem beeinflussen, nimmt der Regierungsrat wie folgt Stellung: «Die Wärmeentwicklung bei der Deponie Wissenbüel kommt vermutlich von den zementverfestigten Filteraschen, welche erfahrungsgemäss sehr reaktiv sind.»

Solche Materialien würden heute nicht mehr direkt abgelagert, sondern in einer sauren Wäsche weiter behandelt. Eine moderne Schlackendeponie verhalte sich in Bezug auf die Wärmeentwicklung anders als die alte Deponie Wissenbüel.

Durchlässigkeit massgebend für Deponie-Standort

Massgebend für den Standort einer Deponie, in der Schlacken gelagert werden, sei die Durchlässigkeit des Untergrundes (Geologie). Sei diese Voraussetzung in einem bewaldeten Gebiet gegeben, sei es möglich, eine Deponie im Wald zu realisieren.

Im Rahmen der Projektierung und der Prüfung der Umweltverträglichkeit werde auf den angesprochenen Aspekt der Erwärmung eingegangen. Daraus werde ersichtlich, wie hoch eine Erwärmung des von den Bäumen genutzten Bodens sein würde und ob bzw. wie diese Erwärmung eine Wiederbestockung beeinflussen würde.

Witterungsextreme wie Trockenheit, welche die Ersatzaufforstung beeinträchtigen können, seien heute bereits viel relevanter und wahrscheinlicher als eine Beeinträchtigung des Bodens infolge von chemischen Prozessen im Ablagerungsmaterial, argumentiert der Regierungsrat.

Einfluss auf Bäume «unwahrscheinlich»

Der Austriebzeitpunkt von Bäumen werde von mehreren Faktoren bestimmt, die bei verschiedenen Arten unterschiedlich stark ausgeprägt seien, so der Regierungsrat weiter. Einerseits müsse ein bestimmtes Kälteminimum vorbei sein. Zudem sei für den Austrieb eine ausreichende Tageslänge (Photoperiode) erforderlich.

Der tatsächliche Auslöser – wenn die Tageslänge erreicht ist – sei eine bestimmte Anzahl Tage mit einer gewissen durchschnittlichen Tagestemperatur. Dass die von Bäumen «wahrgenommene» durchschnittliche Tagestemperatur durch die erhöhte Bodentemperatur relevant beeinflusst werde, sei aufgrund der voraussichtlich sehr lokalen Wirkung direkt über dem Boden und der hohen Wuchshöhe von Bäumen unwahrscheinlich.

Eine geringe Bodenerwärmung dürfte daher den Austriebszeitpunkt von Bäumen nicht beeinflussen, im Unterschied zur Klimaerwärmung, welche den Blattaustrieb von Bäumen um rund drei Tage pro Jahrzehnt vorverschoben habe.

Erfahrungsgemäss sei es sinnvoll, rekultivierte Böden zuerst mit sogenannten Pionierbäumen (z. B. Birke, Weide, Föhre, Lärche) zu bestocken, bevor wieder Bäume des Wirtschaftswaldes (Eichen, Buche, Nadelholz usw.) gedeihen. Diese Pionierarten würden sich dadurch auszeichnen, dass sie Trockenheit besser ertragen. Bis sich dann der eigentliche «Wirtschaftswald» etablieren könne, sei davon auszugehen, dass die exothermen Reaktionen, die zu einer Bodenerwärmung führen könnten, abgeklungen seien. Der Einfluss von Witterungsextremen auf das Waldwachstum sei also viel bedeutender als die vermutete Bodenerwärmung.

Barbara Tudor