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Familie
13.03.2023
22.03.2023 13:58 Uhr

Jugendliche brauchen eigene Räume – oder einen Bauwagen

In Bubikon konnten Jugendlichen einen Bauwagen  umgestalten und nutzen.
In Bubikon konnten Jugendlichen einen Bauwagen umgestalten und nutzen. Bild: zVg Mojuga
Wie fast überall sind auch in Bubikon-Wolfhausen eigene Räume eines der dringlichsten Bedürfnisse der Jugendlichen. Deshalb bietet die Jugendarbeit der Gemeinde den Jugendlichen einen Bauwagen an, den sie in ihrer Freizeit als Cliquenraum nutzen können.

Sich in der Freizeit ausserhalb des eigenen Zuhauses ungestört mit Gleichaltrigen zu treffen, sei eines der wichtigsten Bedürfnisse im Jugendalter, schreibt die Mojuga Bubikon. «Man tauscht sich aus, übt sich im Führen von Konflikten und lernt die eigenen Grenzen kennen. Diese essentiellen Erfahrungen sind für das Heranwachsen wichtig.» Da Treff-Räume rar sind, stellt die Jugendarbeit der Gemeinde den Jugendlichen einen Bauwagen zur Verfügung. Eng begleitet von Jugendarbeitenden, lernen Jugendliche Verantwortung für Sauberkeit und Erhalt des Raumes sowie für die Beziehung zu den Anwohnenden zu tragen.

Zuerioberland24 wollte vom Stiftungsratspräsident der Mojuga, Marco Bezjak, wissen, ob es solche Projekte auch in anderen Gemeinden gibt. 

In Bubikon durften Jugendliche einen Bauwagen nach ihren Vorstellungen umgestalten. Gibt es solche Projekte auch in anderen Gemeinden?

Marco Bezjak: Grundsätzlich ja, solche Projekte sind insofern kein grosser Aufwand, als dass wir unseren Gemeinden eigene Bauwagen anbieten können. Wir möchten Jugendlichen die Gelegenheit geben, sich einzubringen und den Bauwagen nach ihren Vorstellungen umzubauen. Dafür müssen sie sehr stark mitanpacken. Es geht nicht darum, dass ihnen alles perfekt serviert wird, sondern dass die Jugendlichen sich einbringen. Der Vorteil von einem Bauwagen ist auch, dass man ihn wieder wegstellen kann, wenn es nicht funktioniert. Schwieriger ist es, einen Platz dafür zu finden, also Brachen und Flächen in den Gemeinden, die man nutzen könnte. 

Können Jugendliche diesen Bauwagen als eigenständigen Treffpunkt nutzen oder nur unter Aufsicht der Mojuga?

Wir reden hier von sogenannten teilbegleiteten Jugendräumen. Es kommt darauf an, wie gut wir die Jugendlichen kennen und wie sie mit dem Bauwagen umgehen können. Wenn es gut läuft, machen wir einen Vertrag mit dem Einverständnis der Eltern und dann können die Jugendlichen den Bauwagen innerhalb der Abmachungen so nutzen, wie sie wollen. In Bubikon haben wir drei bis vier solche Plätze. Darüber sind wir sehr froh, weil es vom politischen Wille zeugt, öffentlichen Raum für Jugendliche zur Verfügung zu stellen.

«Es bedingt den politischen Willen, öffentlichen Raum für Jugendliche zur Verfügung zu stellen.»
Marco Bezjak, Präsident Stiftung Mojuga
Marco Bezjak, Präsident der Stiftung Mojuga plädiert dafür, Jugendlichen Wertvorstellungen zu vermitteln. Bild: zVg Mojuga Stiftung

Werden die zahlreichen Angebote der Jugendarbeit auch genutzt? Oft wollen die Jugendlichen ja lieber unter sich bleiben. 

Ja, aber die entsprechenden Räume dafür zu finden, wird immer schwieriger. Das Angebot der offenen Jugendarbeit bedeutet nicht, dass wir den Jugendlichen fixfertige Angebote hinstellen. Von uns organisierte Parties oder Bar- und Grillanlässe haben nichts mit unserer Arbeit zu tun. Jugendliche kann man damit auch nicht locken. Sie wollen unter sich sein und nicht aktiv werden müssen. Was wir ihnen bieten wollen, sind feste Beziehungen und ein Vertrauensverhältnis. 

Und doch kommt es immer wieder zu Vandalismus...

Die allerwenigsten sind betreffend Vandalismus bedenklich unterwegs. Jugendliche sind aber stark unter Druck. Einerseits ist da der Darstellungsdruck in den sozialen Medien und dann der Druck von Schule, Lehre und auch von den Eltern. Dazu kommt noch die Weltkrise. Für die Jugendlichen heisst die Perspektive nicht mehr «es geht aufwärts», sondern, dass es sicher nicht mehr so weiter geht wie bisher.

Konfrontiert mit der Perspektivenlosigkeit ihrer Jugendlichen, sind Eltern oft überfordert. Die Schule übernimmt dann viele Unterstützungsaufgaben, die wenig mit ihrem Kernauftrag zu tun haben. Offene Jugendarbeit könnte in der Begleitung von Jugendlichen eine bedeutendere Rolle spielen, da sie auf der Freiwilligkeit der Jugendlichen beruht und für alle Jugendlichen Angebote machen kann. Allerdings müssten dafür deutlich mehr Mittel gesprochen werden.

«Jugendliche stehen unter starkem Druck und ihre Perspektiven sind alles andere als rosig. »
Marco Bezjak

Um ein solches Vertrauensverhältnis aufzubauen, engagiert sich die Mojuga schon in der Mittelstufe bei Kindern. Will man so die Pensen erhöhen?

Nein, heute geht es nur über Krisen, nur so können wir Pensen erhöhen. Doch gerade bei Kindern haben wir festgestellt, dass der autonome Bewegungsradius immer kleiner wird, weil unsere Raumplanung auf den Verkehr ausgerichtet ist. Unsere offene Kinderarbeit kommt beispielsweise mit einem Leiterwagen und Spielzeug ins Quartier und gibt den Kindern die Möglichkeit zum freien Spielen. Das ist aber keine Kinderbetreuung, das bezahlt niemand. Die Mittelstufen-Kinder sind noch neugierig. Ihnen möchten wir zeigen, dass wir uns für sie interessieren, egal was sie machen. Wir verbringen Zeit mit ihnen, sie können uns vertrauen, das ist unsere Stärke. Aber wir bieten keine Krippen oder Spielstätten an, es sind keine Angebot für Eltern, sondern für Kinder und Jugendliche.

«Jugendliche brauchen vorgelebte Wertvorstellungen.»
Marco Bezjak, Präsident Stiftung Mojuga

Aus den Städten hört man auch von pöbelnden und gewalttätigen Jugendlichen. Wie kann man solche Gruppenbildungen vermeiden?

Solche Geschichten haben wir zum Glück nicht in unseren Gemeinden. Aber Jugendliche auf dem Land fühlen sich in ihrer Freizeit nicht willkommen, weil Anlagen auch immer häufiger videoüberwacht werden. Sie wandern also ab in die Stadt und suchen sich dort ihre Begegnungsorte. Oft kommen dann Substanzen und ein Revierverhalten ins Spiel. Weil man dort ja anonym ist, kann es auch ausarten. Das ist nicht neu, hat sich aber seit Corona noch verstärkt. Nur die allerwenigstens Jugendlichen verhalten sich destruktiv, die grosse Mehrheit sucht in der Freizeit eine gute gemeinsame Zeit. Nur wird über diese Jugendlichen medial nicht berichtet und sie tauchen in keiner Polizeistatistik auf.

Martina Gradmann