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Grüningen
09.06.2021
12.06.2021 10:32 Uhr

Kann man Wasser aus dem Hahnen künftig noch trinken?

Wasser ist unser wichtigstes Grundnahrungsmittel.
Wasser ist unser wichtigstes Grundnahrungsmittel. Bild: pixabay.com
Von vielen gar nicht bemerkt, versorgt die Wasserversorgungs-Genossenschaft Grüningen seit 2020 das Trinkwasser-Netz mit Seewasser. Das Grundwasser aus der Wasserversorgung Ottikon-Grüningen-Hombrechtikon war mit dem Pflanzenschutzmittel Chlorothalonil belastet.

Wasser ist alles. Ohne Wasser kann kein Leben entstehen. Wasser ist eine unserer Existenzgrundlagen und unser wichtigstes Grundnahrungsmittel. Auch der menschliche Organismus besteht zum grössten Teil aus Wasser. Ein Mangel an Wasser kann zu gesundheitlichen Problemen führen. Wir müssen uns also Wasser zuführen, um gesund zu bleiben. Sauberes Trinkwasser aus dem Wasserhahn ist dabei für viele eine Selbstverständlichkeit, obwohl weltweit über zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.

Zu hohe Werte eines Pflanzenschutzmittels im Trinkwasser

Noch bis vor kurzem betonten Schweizer Kantonschemiker, wie sauber und bestgeprüft das Schweizer Trinkwasser sei. Doch bereits 2019 wurden in verschiedenen Kantonen hohe Werte des Pflanzenschutzmittels Chlorothalonil gemeldet, und die Wasserversorger wurden angehalten, gegen das Pestizid im Trinkwasser aktiv vorzugehen. Auch in Grüningen zeigte die Überwachung der Grundwasserfassung Oberottikon eine Überschreitung des Grenzwertes. Aus diesem Grund verzichtet die Wasserversorgungs-Genossenschaft vorläufig auf die Abgabe von Grundwasser von der OGH. Das gesamte Netz wird mit Seewasser von der Gruppenwasserversorgung Zürcher Oberland versorgt. Wie es dazu kommen konnte, bleibt offen.

Die letzen spezifischen Probeuntersuchungen des Trinkwassers in Grüningen erfolgten am 10. Februar 2021 durch das Kantonale Labor. Der Bericht bestätigte, dass keine Rückstände von Chlorothalonil und dessen Abbauprodukte im Trinkwasser festgestellt wurden. «Unsere Wasserversorgung wird einmal pro Quartal auf die gestellten Anforderungen an Trinkwasser durch das Kantonale Labor geprüft und entsprach stets den gestellten Anforderungen», sagt dazu Hanni Tellerbach, Präsident der Wasserversorgungs-Genossenschaft. Die Wasserversorgung Grüningen beobachtet laut eigenen Angaben die Grundwasserfassung der OGH genau und analysiere das Wasser laufend. Die Bezüger werden aber bis auf Weiteres trotzdem mit Seewasser versorgt. Obwohl der Kanton die Grundwasserförderung wieder freigegeben habe, wolle man zuerst abwarten, wie Chlorothalonil künftig eingestuft werde.

Ein Natur-Beobachter ist besorgt

Auf seinen Streifzügen durch die Natur hat der Grüninger Alois Iten immer wieder schäumende Bäche gesehen. Der passionierte Fotograf, Pilzkontrolleur und Naturliebhaber, hat auch Veränderungen in Flora und Fauna festgestellt. «Die Bodenqualität wird leider immer schlechter, die Wiesen immer artenärmer. Durch die vielen schweren Maschinen wird der Boden verdichtet, das Wasser kann von diesem nur mehr schlecht aufgenommen werden.» Das Gebiet um Grüningen sei früher vorwiegend Ried gewesen, dann entwässert worden, was dazu führe, dass vieles, was auf die Böden ausgebracht werde, fast unmittelbar in die Bäche und ins Grundwasser gehe. Auch er weiss von der Umstellung auf Seewasser durch die Wasserversorgung und macht sich Gedanken. «Wie lange werden wir unser Wasser noch trinken können? Heute ist es Chlorothalonil und morgen etwas anderes? Der Cocktail von verschiedenen Stoffen ist noch gar nicht untersucht.»

  • Der pagageigrüne Saftling ist nur schwer zu entdecken. Bild: Wisi Iten Grüningen
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  • Der schwärzende Saftling ist selten geworden... Bild: Wisi Iten Grüningen
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  • weil er wie der rosenrote Saftlind magere Wiesen für sein Gedeihen braucht. Bild: Wisi Iten Grüningen
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  • Immer häufig sind Bäche mit schäumendem Wasser zu beobachten. Bild: pixabay.com
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  • Im Biotop im Garten von Alois Iten tummeln sich Insekten und Amphibien. Bild: Martina Gradmann
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«Nicht die Bauern sind schuld, das System ist krank»

Iten hat sich vor allem auf das Aufspüren und Fotografieren der unterschiedlichsten Pilze spezialisiert, begeistert sich aber auch für Insekten, Krebse und seltene Pflanzen. «Wir können nicht endlos so weitermachen. Doch jetzt Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen, ist keine Lösung». Iten spielt auf die Agrar-Initiativen an, die momentan die Gemüter bewegt. Als Bauernsohn ist er überzeugt, dass die Landwirte dabei nur ein Glied in der Kette sind. Krank sei das System. Es könne nicht sein, dass Pflanzenschutzmittel-Hersteller nicht zur Verantwortung gezogen würden und uns jetzt auch noch das Mineralwasser verkauften. Zudem habe Syngenta in einem Bundesverwaltungsgerichts-Urteil erreicht, dass der Bund keine Informationen zu möglichen krebserregenden Folgen von Chlorothalonil verbreiten darf. Und wohlgemerkt, in der Europäischen Union ist das Fungizid mittlerweile verboten. «Es ist der viel gelobte Wettbewerb, der auf Kosten der Bauern und der Natur geht», sagt Iten.

Erklärungen zum Pflanzenschutzmittel Chlorothalonil

Neben den allgemeinen mikrobiologischen und chemischen Eigenschaften des Trinkwassers rückten in letzter Zeit Rückstände von Pflanzenschutzmitteln oder deren Abbauprodukte nicht zuletzt wegen Untersuchungskampagnen der Kantonalen Laboratorien in den Fokus der Öffentlichkeit. Dabei war in den Medien oft vom Wirkstoff Chlorothalonil und dessen Abbauprodukten zu lesen. Die Wasserversorgungen haben darauf reagiert und das Untersuchungsspektrum im Rahmen der Selbstkontrolle auf diese Aspekte erweitert. Erste Resultate wurden im Sommer 2019 veröffentlicht. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat aufgrund der Neubeurteilung durch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) weitere Abbauprodukte des Wirkstoffes Chlorothalonil auf die Liste der relevanten Metaboliten gesetzt. Damit gilt auch für diese Substanzen der Höchstwert von 0.1 μg/l im Trinkwasser. Trinkwasser mit Rückstands-Konzentrationen über diesem Höchstwert erfüllt die Anforderungen an sauberes Trinkwasser nicht. Eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit besteht allerdings nicht. Trotzdem sind die betroffenen Wasserversorgungen angehalten, Massnahmen zur Reduktion der Verunreinigungen zu treffen und haben dazu gemäss aktueller Weisung des BLV zwei Jahre Zeit. Als wichtigste Massnahme hat das BLW dem Wirkstoff Chlorothalonil im Dezember 2019 mit sofortiger Wirkung die Zulassung entzogen. Es ist davon auszugehen, dass darum die Konzentrationen im Grund- und Quellwasser allmählich zurückgehen. Wie schnell dieser Rückgang erfolgt, ist aber von verschiedenen Faktoren (Bodenbeschaffenheit, Erneuerung des Wassers, etc.) abhängig und muss jetzt beobachtet werden. Dabei werden die Wasserversorgungen vom Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) und vom Kantonalen Labor unterstützt. Dort wo der Rückgang durch den Verzicht auf den Einsatz des Wirkstoffes nicht in akzeptabler Frist zur Einhaltung der Höchstwerte führt, sind weitere Massnahmen durch die Wasserversorgungen einzuleiten. Welcher Art diese Massnahmen sind, ist fallweise zu entscheiden und wird mit den Fachspezialisten des AWEL, des Amtes für Landschaft und Natur (ALN) und des Kantonalen Labors abgesprochen. Die Untersuchung zur Dynamik der Rückstände, die Analyse der Handlungsmöglichkeiten und der Entscheid über die verhältnismässigen und zielführenden Massnahmen werden mehrere Monate Zeit in Anspruch nehmen. Alle diese Massnahmen haben das Ziel, die Trinkwasserqualität langfristig sicher zu stellen und das Trinkwasser vor Verunreinigungen jeglicher Art zu schützen – auch wenn sie nach aktuellem Wissenstand aus gesundheitlicher Sicht nicht bedenklich sind.

Quelle: Wasserversorgung Grüningen

Martina Gradmann