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Gossau ZH
02.05.2025
02.05.2025 09:29 Uhr

Nunzio – der Dorf-«barbiere»

Ein Hauch Toskana im Salon Nunzio an der Berghofstrasse in Gossau ZH.
Ein Hauch Toskana im Salon Nunzio an der Berghofstrasse in Gossau ZH. Bild: Isa
Seit Jahrzehnten widmet sich Nunzio Coiro mit Leidenschaft dem Coiffeurhandwerk. Doch sein Salon in Gossau ZH ist weit mehr als ein Ort für Haarschnitte – er ist ein Treffpunkt, willkommen ist jeder Mann. Warum seine Kunden ihm seit Jahren die Treue halten und er noch nicht ans Aufhören denkt.

Nunzio lebt mit seiner Frau Katrin schon seit über 25 Jahren in Gossau und ist vor allem in der hiesigen Männerwelt ein bekanntes Gesicht. Das liegt an seinem Beruf – oder treffender gesagt an seiner Leidenschaft: Seit dem Jahr 2000 betreibt er seinen eigenen Herrensalon an der Berghofstrasse in Gossau. Doch alles begann viel früher.

Vom Maler zum Coiffeur

Aufgewachsen ist Nunzio in Hinwil. Eigentlich wollte er Maler werden und hat 1976 die Lehre begonnen. Doch seine Höhenangst machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Als seine Mutter ihn eines Abends nach den schmutzigen Malerkleidern fragte, um diese zu waschen, staunte sie nicht schlecht, als er entgegnete: «Ach, ich werde nicht mehr Maler. Ich habe die Ausbildung gewechselt und werde jetzt Herrencoiffeur.»

Nunzio lacht darüber und erzählt: «Damals war es in der Schweiz eher unüblich, dass ein junger Mann eine Coiffeurlehre macht, und manchmal kam die Frage, ob ich denn nicht etwas ‹Anständiges› lernen wolle.» Doch als gebürtiger Italiener sah er das anders. In Italien gilt damals wie heute: Ein «barbiere» ist mehr als ein Haareschneider. Er geniesst einen höheren Stellenwert, ist eine Vertrauensperson.

«Mein Laden ist mehr als ein Friseursalon. Er ist ein Treffpunkt. »
Nunzio Coiro

Gipfeli und Whisky

Neben einem übergrossen Wandbild mit toskanischer Landschaft, das an seine Heimat erinnert, prägen zwei Barberstühle im Retro- Look das Ambiente. Im Gespräch wird aber schnell klar, dass Nunzio an der Berghofstrasse nicht nur seine Geschäftsadresse hat. Es ist das zweite Zuhause des passionierten Coiffeurs, bei dem es auch um Begegnungen, Gespräche und um ein Stück italienische Lebensart geht.

«Mein Laden ist mehr als ein Friseursalon. Er ist ein Treffpunkt», erzählt Nunzio stolz. Nicht nur die Frisierstühle sind gut besetzt, auch am runden Tischchen draussen vor dem Salon geniessen Bekannte gerne einen Espresso und tauschen sich mit Nunzio oder einem Salonkunden aus. «Manchmal gibt es Caffè und Gipfeli, manchmal sogar einen Apéro oder ein Glas Whisky. Und das Schöne, es fühlt sich familiär an.» Viele seiner Kunden sind ihm über die Jahre treu geblieben, manche sogar über Jahrzehnte. Besonders während der Covid-Pandemie sei ihm bewusst geworden, wie sehr er geschätzt werde. «Viele meiner Kunden haben es vermisst, mich in meinem Salon zu besuchen», erzählt er gerührt.

Gesichter und Geschichten

Was Nunzio besonders gefällt, sind die Geschichten, die sich hinter jedem seiner Kunden verbergen. «Ich liebe es, Menschen kennenzulernen, ihre Geschichten zu hören und ein kleiner Teil ihres Lebens zu sein.» Durch die vielen Gespräche entstehen auch oft ungeahnte Verbindungen. «Ein Kunde suchte eine Wohnung – zufällig war kurz vorher ein anderer Kunde bei mir, der eine Wohnung zu vermieten hat. Wenn ich so als eine Art Mittelsmann helfen kann, ist das doch grossartig», freut er sich.

Seine Arbeitszeit richtet Nunzio nach den Wünschen seiner Kunden aus, Freizeit sei ein seltenes Gut. «Als Selbstständiger hat man kaum Ferien. Aber wenn ich frei habe, dann muss ich weg. Zu Hause herumsitzen liegt mir nicht.» Seine Heimat Italien ist natürlich ein häufiges Reiseziel, aber auch nach Kanada reist er, wo ein Teil seiner Familie lebt. An Ruhestand denkt der 64-Jährige noch nicht. «Schaffen ist mein Hobby. Meine Kunden können beruhigt sein: Ich werde noch eine Weile weitermachen», sagt er mit einem Augenzwinkern. Mit einem «Grazie e arrivederci!» verlasse ich den Salon. Es ist, wie Nunzio es beschrieben hat: Bei ihm Gast zu sein, fühlt sich einfach gut an.

Isabella Schütz