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Wetzikon
25.09.2024
03.10.2024 15:14 Uhr

Wetziker Generationenprojekt: Heizen mit regionaler Fernwärme

Die Stadt Wetzikon will sich unabhängig machen von ausländischen Öl- und Gaslieferanten.
Die Stadt Wetzikon will sich unabhängig machen von ausländischen Öl- und Gaslieferanten. Bild: SafeRC, C. Abplanalp
Am 18. Juni 2023 hat die Wetziker Stimmbevölkerung dem Rahmenkredit von 80 Mio. Franken zur Erschliessung der Fernwärme und der Gründung der Fernwärme Wetzikon AG zugestimmt. Doch was bedeutet das überhaupt für die Bevölkerung in den nächsten Jahren?

Am 23. September 2023 folgte eine zweite Abstimmung, die auch die Ausgliederung der Fernwärme AG ermöglichte. Die Aktionärinnen der Fernwärme Wetzikon sind die Stadt Wetzikon mit 60 Prozent und die Energie 360° AG mit 40 Prozent. Die Voraussetzungen für die Umsetzung der Fernwärmeversorgung in Wetzikon waren somit gegeben und das Mammutprojekt nahm Fahrt auf. Was als Maturaarbeit 2018 von Benjamin Walder, der mittlerweile im Kantonsrat für die Grünen politisiert, begann, wurde danach durch Heinrich (Henry) Vettiger, Ressort Tiefbau, Umwelt + Energie, vorangetrieben. Nach dem Volksentscheid im Sommer 2023 und seit der Gründung der Fernwärme Wetzikon AG im November 2023 ist Letztere verantwortlich. Darin vertritt er die Stadt Wetzikon als Verwaltungsrat. Es ist also Zeit für ein paar Fragen und ein persönliches Gespräch.

Guten Tag Henry, bitte erläutere kurz: Was ist Sinn und Zweck der Fernwärme Wetzikon AG?  

Die Fernwärme basiert auf der Wärme aus der ARA Flos in Wetzikon und der Abwärme aus der Kehrichtverwertung Zürcher Oberland (KEZO), mit dem Ziel, diese für die Wärme in Haushalten zu nutzen. Die KEZO-Wärme gelangt in Form von heissem Wasser in einer gut isolierten Leitung nach Wetzikon. Dort wird die Wärme in der geplanten Energiezentrale an der Rapperswilerstrasse bei der Eishalle Wetzikon auf das Fernwärmenetz verteilt. Direkt neben der ARA wird eine zweite Energiezentrale gebaut. Von dort wird die Wärme in den Wärmeverbund eingespeist. Das Netz der Fernwärme ist in zwei Bereiche unterteilt, also in das KEZO- und das ARA-Versorgungsgebiet. Was sich logisch anhört, wurde durch die Änderung des kantonalen Energiegesetzes, die am 1. September 2022 in Kraft getreten ist, zusätzlich unterstützt. Im Jahr 2021 wurde die Vorlage von der Stimmbevölkerung des Kantons Zürich mit einem deutlichen Ja (62,6%) angenommen. Das Gesetz legt fest, dass Öl- und Gasheizungen am Ende ihres jeweiligen Lebenszyklus durch klimaneutrale Heizlösungen ersetzt werden.

Übersicht zur Netzplanung mit unterteilten Versorgungsgebieten. Der Netzausbau soll bis Ende 2031 abgeschlossen sein, danach folgt die Verdichtung des Angebots. Bild: Fernwärme Wetzikon AG

Was spricht für die Fernwärmelösung?

Dafür spricht vieles. Wir bieten mit der Fernwärmeversorgung eine sinnvolle, klimaneutrale Alternative und verwenden dabei die in der KEZO entstehende Wärme, die bisher mehrheitlich ungenutzt blieb und verloren ging. Ausserdem sind wir für die Wärmeversorgung der Gebäude unabhängig von ausländischen Öl- und Gaslieferungen, weil wir lokal vorhandene Wärme nutzen. Der Fernwärmeverbund ist nachhaltig und leistet so einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz.

Genügen die Ressourcen der Abwärme der KEZO zur Versorgung von Wetzikon?

Geplant ist der zusätzliche Einsatz von Gasheizkesseln, welche mit Biogas betrieben werden. Sie decken in den Wintermonaten die Spitzenlasten des Energieverbrauchs ab.

Wie funktioniert der ARA-Wärmeverbund?

Dem gereinigten Abwasser der ARA wird mithilfe von Wärmetauschern Energie entzogen. Anschliessend sorgen Wärmepumpen dafür, dass die Fernwärme die benötigte Temperatur erreicht. So erhalten die angeschlossenen Gebäude Energie zum Heizen und fürs Warmwasser. Die Energiezentrale ARA ist bereits im Bau und die ersten Wärmelieferungen sind ab 2026 vorgesehen. Im KEZO-Netz werden die ersten Gebäude ab Herbst 2025 angeschlossen. Es ist geplant, die beiden Wärmeverbünde etwa 2028 oder 2029 miteinander zu verbinden.

«Die Fernwärme auf dem Gebiet der Stadt hat das Ziel, die Abwärme der Kehrichtverwertung Zürcher Oberland (KEZO) und der ARA Flos zu nutzen.»
Heinrich Vettiger, Stadtrat Tiefbau, Umwelt + Energie

Die Thematik der Wärmeversorgung ist hochkomplex. Wie wird die Bevölkerung informiert?

Neben der baulichen Herausforderung laufen parallel die Beratungs- und Verkaufsaktivitäten zur Gewinnung von Kundinnen und Kunden. Man kann sich auf der Website informieren, ob sich die eigene Adresse im Perimeter des Wärmeverbunds befindet und ein Anschluss möglich ist. Es ist sogar ersichtlich, ab wann die Lieferung von Fernwärme am Wohnort möglich ist. Die Website wird laufend mit den neuesten Informationen aktualisiert. Im September waren wir ausserdem mit einem Stand an der ZOM Züri Oberland Mäss vertreten und kamen dort mit vielen Einwohnerinnen und Einwohnern in Kontakt. Abgestimmt auf den Erschliessungszeitpunkt werden gebietsweise Informationsaktivitäten geplant. Gewerbe- und Grosskunden wie z. B. grosse Mehrfamilienhäuser werden gezielt kontaktiert. Eine transparente Kommunikation ist elementar, da dieses Projekt die gesamte Stadt betrifft.

Wie seid ihr organisatorisch aufgestellt, um dieses Projekt zu meistern?

Wir haben ein äusserst kompetentes Team, bestehend aus Mit- arbeitenden der Stadt Wetzikon, der Stadtwerke Wetzikon und der Minderheitsaktionärin Energie 360° AG. Ich bin dankbar, in einem engagierten, fachkundigen und zielorientieren Verwaltungsrat mitarbeiten zu können. Auch hier ist Know-how in verschiedenen Bereichen vorhanden und wir ergänzen uns perfekt. Die Gesamtprojektleitung und gleichzeitig die Geschäftsleitung der Fernwärme Wetzikon AG besteht aus Marie-Therese Büsser (Stadt Wetzikon), Kurt Rechsteiner (energie 360°) und Daniel Wassmer (Stadtwerke Wetzikon). Letzterer ist gleichzeitig der Geschäftsführer der Fernwärme Wetzikon AG. Beim Leitungsbau und beim Bau der Energiezentralen nutzen wir die Kompetenz der Energie 360° und es besteht eine enge Zusammenarbeit mit den Stadtwerken und dem Tiefbauamt. Der Kontakt mit der Kundschaft wird durch die Mitarbeitenden der Stadtwerke sichergestellt. Wir nutzen also alle Synergien und das vorhandene Know-how.

«Die Gründung einer so grossen und kapitalintensiven Gesellschaft erlebt man nicht alle Tage. »
Heinrich Vettiger

Bauliche Massnahmen sind für Eigentümer immer mit Kosten verbunden.

Sind diesbezüglich Fördermassnahmen geplant? Für die Fernwärme gibt es keine Subventionen der Stadt mehr, aktuell aber noch vom Kanton. Wir stellen jedoch mit der Fernwärme eine sehr attraktive Lösung zur Verfügung, welche auch finanziell konkurrenzfähig zu anderen Energieangeboten ist.

Visualisierung der Energiezentrale Rapperswilerstrasse. Der Baustart erfolgt im Januar 2025, erste Wärmelieferungen im KEZO-Gebiet sind ab Herbst 2025 vorgesehen. Bild: Fernwärme Wetzikon AG

Wo steht das Projekt in Bezug auf Zeitplan und Kosten?

Das Projekt läuft bereits. Voraussichtlich im Herbst 2025 werden die ersten Kundinnen und Kunden mit Wärme beliefert. Ziel ist es, möglichst viele private Kundinnen und Kunden wie auch Unternehmen für die Fernwärme zu gewinnen. Neben der Kundengewinnung laufen zurzeit die Planungen für den Leitungsbau und für den Bau der Energiezentralen. Mit der KEZO haben wir einen Wärmeliefervertrag über 50 Jahre abgeschlossen, Somit besteht eine langdauernde Sicherheit für die getätigten hohen Investitionen in die Infrastruktur. Das Fernwärme- Projekt ist hochkomplex, und es bestehen viele Abhängigkeiten. Wir stehen unter grossem Zeit- druck, denn eine schnelle Realisierung ist wichtig, um das Potential für die Fernwärme zu nutzen, welches beim Wechsel von fossilen Heizungen auf die Alternativen besteht. Zudem sind wir bestrebt, für verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten offen zu bleiben und verfolgen eine klare Kapitalstrategie, um eine sicher finanzierte Gesellschaft zu gewährleisten. Neben dem Kapital der Aktionärinnen wird Fremdkapital benötigt, wofür derzeit eine Fremdkapitalstrategie erarbeitet wird. Die Bevölkerung hat uns bei diesem Projekt ihr Vertrauen geschenkt. Es gilt, mit dem zur Verfügung gestellten Kapital sorgsam umzugehen. Das langfristige Ziel ist es in jedem Fall, den Aktionärinnen eine Dividende auszuschütten. Die Wirtschaftlichkeit steht bereits in der Bauphase an oberster Stelle.

Was hast du gelernt seit dem Start des Projekts?

Mein Studium an der ETH als Maschineningenieur und mein MBA in Finanzen haben mir zwar geholfen, mich ins Projekt einzuarbeiten, aber Fernwärme ist ja nicht gerade ein Alltagsfach. Ich habe also viel lernen können und heute habe ich das erforderliche Verständnis für den Fernwärmeverbund. Beim Aufbau einer so grossen, kapitalintensiven Gesellschaft dabei zu sein, das ist schon etwas ganz Spezielles.

Was wünschst du dir für Wetzikon?

Wetzikon ist meine Heimat. Mein grösster Wunsch – und ich hoffe, nicht der Einzige zu sein – ist, dass wir eine Lösung zur erheblichen Verkehrsberuhigung in Oberwetzikon finden und dass diese dann auch umgesetzt wird.

Heinrich (Henry) Vettiger ist in Wetzikon geboren und aufgewachsen. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Seit zehn Jahren amtet er als Stadtrat und hat zurzeit das Ressort Tiefbau, Energie + Umwelt unter sich.

Andreas Wolfensberger