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Grüningen
06.06.2024

«Going with the flow»

Philipp Raskins Wirken als Audioingenieur in Tonstudios von Los Angeles.
Philipp Raskins Wirken als Audioingenieur in Tonstudios von Los Angeles. Bild: zvg
Philipp Raskin ist in Grüningen aufgewachsen, heute lebt der 25-Jährige in Los Angeles und will als Audioingenieur durchstarten. Im Interview erzählt er von seiner Verbundenheit mit Grüningen und was ihm die Musik bedeutet.

Die ersten musikalischen Schritte machte Philipp Raskin mit vier Jahren an der Musikschule Zürcher Oberland. 2021 bestand er seinen Bachelor in Music Production & Engineering am Berklee College of Music in Boston, USA, mit Bestnoten. Der 25-Jährige lebt in Los Angeles. Anfang Jahr ist er mit einem Emmy Contribution Certificate als Recordist für seine Mitarbeit an der letztjährigen Super Bowl ausgezeichnet worden.

Phil, du hast früh dein Elternhaus verlassen, bist aber noch eng mit Grüningen verbunden?

Ich habe die letzten zwei Jahre des Gymnasiums in England gelebt, bevor ich vom Berklee College of Music in Boston als Student aufgenommen wurde. Doch mein Zuhause war immer Grüningen, da dort auch meine Eltern und meine beiden Brüder leben. Mich verbindet auch heute noch viel mit dem Landvogteistedtli.

Dein Ausbildungsweg entspricht nicht so ganz der Normalität?

(lacht) Nein, nicht wirklich. Ich war zwar anfangs sicher ein guter Schüler, doch mit meiner Passion zur Musik passte ich wohl nicht so ganz in das übliche Schulsystem. Mein Glück waren die Offenheit und das grosse Vertrauen meiner Eltern. Und so durfte ich das Gymnasium in Hurtwood House in Surrey, England, abschliessen, wo auch der bekannte Filmkomponist Hans Zimmer oder die Schauspielerin Emily Blunt Schüler waren, bevor ich nach Amerika übersiedelte.

Die Musik bestimmte dein bisheriges Leben?

Ja, Musik bestimmt mein Leben. Damals als Musiker, heute mehr aus der Recording-Perspektive. Bereits mit fünf Jahren lernte ich Blockflöte. Mit sieben Jahren begann ich mit dem Klavierunterricht, mit dreizehn Jahren zog mich das Gitarrenspiel in den Bann. Und ab dann spielte ich in kleineren Bands mit. Zehn Jahre später wirkte ich dann an einem Grammy-nominierten Album mit.

Was bedeutet dir die Musik persönlich?

Für mich ist Musik eine künstlerische Ausdrucksform, die Klänge, Melodien, Rhythmen und oft auch Texte kombiniert, um Emotionen auszudrücken, Geschichten zu erzählen, Stimmungen zu erzeugen und die Kommunikation zu fördern. Musik fliesst. Music flows...

Du bist Musikproduzent? Was ist das eigentlich?

Ich bezeichne mich selbst als Audio Engineer. Meine Spezialität sind Aufnahme, Abmischen, Bearbeitung und Wiedergabe von Tönen und Musik. Ich arbeite in verschiedenen Bereichen der Musik-, Film- und Fernsehproduktion.

Seit kurzem fokussiere ich mich aber vor allem auf Spatial Audio, einfach gesagt ein 3D-Audio-Verfahren. Das ermöglicht dem Zuhörer, die Musik nochmals auf eine ganz andere Art und Weise zu erleben.

«Für mich ist Musik eine künstlerische Ausdrucksform. Musik fliesst.»
Philipp Raskin

Ist das nicht eine sehr technische Aufgabe?

Ja. Zu meinen Aufgaben als Audioingenieur gehören das Aufnehmen und Mischen von Tonspuren, das Bearbeiten von Audioaufnahmen, das Einrichten von Tonausrüstung für Studioaufnahmen und die Verwendung von verschiedenen Technologien wie Mischpulten, Aufnahmesoftware und Signalprozessoren, um hochwertigen Klang zu produzieren.

Du sitzt also viel am Computer und am Mischpult …

An vielen technischen Geräten, ja, das ist so. Umso mehr freut es mich, immer wieder auch am Klavier zu sitzen oder meine Gitarren oder Bassinstrumente in die Hand zu nehmen.

Heute lebst du in Los Angeles. Wie ist das?

Erst zog ich zusammen mit meiner Freundin und unserer Katze nach New York. Ein ganz hartes Pflaster. Schon bald musste ich mir eingestehen, dass wohl niemand auf den Grüninger Philipp Raskin gewartet hatte.

Philipp Raskin lebt mit seiner Freundin Jessica Gélinas in Los Angeles. Bild: zvg

Kanntest du jemanden an der Westküste?

Nein, noch nicht. Aber unter uns Technikern und durch unsere guten Verbindungen in der Musikindustrie war bekannt, dass die Chancen auf einen Berufseinstieg in Los Angeles weit höher sind.

Die sich dann für dich ja ergeben haben. Wie lief das genau?

Die ersten zwei Wochen stand die Wohnungssuche im Vordergrund. Zeitgleich startete ich eine grosse Recherche nach Tonstudios. Und was für ein Glück, gleich um die Ecke unserer neuen Wohnung befindet sich ein solches. Ich habe mich beworben. Dann ging alles Schlag auf Schlag und ich startete schon am nächsten Tag. Man hatte mich schon davor gewarnt, dass es so passieren könnte.

… direkt als «In House/Staff Engineer» einzusteigen?

Nein, die erste Zeit war ich wirklich Handlanger. Es geht erst mal darum, das Studio besser kennenzulernen und Vertrauen zu gewinnen. Da dort viele A-List-Musiker und -Actors ein und ausgehen, ist es wichtig, dass man sofort professionell und fokussiert agiert. Nach ein paar Wochen hat man mir dann schon so vertraut, dass ich an Disney- und Netflix- Produktionen mitarbeiten durfte.

«Musik und Audioindustrie machen sehr viel Spass, doch verspiel nie das Vertrauen. Dann stehst du sehr schnell auf der Strasse. »

Wie das?

Es waren neben grossem persönlichem Einsatz Tugenden, wie ich sie zu Hause in Grüningen gelernt habe: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Einsatz. Anscheinend fiel ich damit positiv als «Schwiizer» auf. Schon bald durfte ich komplexere Arbeiten übernehmen. Und dann kommt es wie so oft – die eine Produktion ergibt die nächsten Aufträge. Und wenn man seine Sache gut bis sehr gut erledigt, spricht sich das herum.

Habe ich das vorher richtig verstanden, Disney?

Ja, eines meiner Highlights im Studio. Ich durfte die Originalstimme von Minnie Mouse aufnehmen. Wie viele Kinder bin ich mit den Disney-Cartoons aufgewachsen. Es war daher ein ganz besonderes Erlebnis für mich, das so hautnah mitzuerleben und das Projekt mitzuprägen.

Heute fokussierst du dich stark auf Spatial Audio?

Ich hatte das grosse Glück, einen Auftrag für einen grossen Streaming Service zu ergattern. Da ich immer stärker auf das immersive Audioformat zu fokussieren begann, konnte ich eine neue Verbindung zur Musik aufbauen. Mit dieser neuartigen Technologie umgibt die Musik den Zuschauer und Zuhörer durch Dreidimensionalität. Das ist wirklich ein einzigartiges Erlebnis.

Was bedeuten dir diese Facetten und Formate der Musik? Du hast ja in kürzester Zeit mit top Cracks der Musikindustrie zusammengearbeitet.

Eine grosse Genugtuung. Und viel Freude. Ich habe schnell das Vertrauen zu wichtigen Personen der Branche aufbauen und gewinnen können. Das ist enorm wichtig. Musik und Audioindustrie machen sehr viel Spass, doch verspiel nie das Vertrauen, dann stehst du sehr schnell auf der Strasse.

Wir wünschen Philipp beruflich und privat weiterhin viel Erfolg. Halte uns auf dem Laufenden!

Phil Raskin

Mehr über Phil, seine Biografie und sein Portfolio findest du unter

www.philraskin.com

Jörg Röthlisberger