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Grüningen
03.05.2024

Schulalltag vor über 100 Jahren

Familie Brunner mit Elsa (hinten Mitte). Aufnahme von ca. 1916.
Familie Brunner mit Elsa (hinten Mitte). Aufnahme von ca. 1916. Bild: Familienarchiv Familie Ueltschi
Aus den Lebenserinnerungen von Elsa Ueltschi-Brunner (1904–1992), gelernte Schneiderin. Geboren und aufgewachsen auf der Platte in Binzikon, später wohnhaft in Elgg.

Meine Brüder mussten plötzlich in die Schule, um zu lernen und stillzusitzen. Mit der Zeit war es an mir. Ich bekam einen schö­nen Schulsack und war stolz da­rauf. Der Morgen kam, dass ich mit meinen Brüdern zur Schule gehen durfte. Sie nahmen mich an die Hand, weil Mutter keine Zeit fand, mich zu begleiten. Ja, das war ein Ereignis für mich, stolz mit dem neuen Schulsack am Rücken.

Wir hatten damals den alten Leh­rer Bossert, der uns willkommen hiess. Zu ihm waren schon mein Vater und seine Schwester zur Schule gegangen. Wir hatten eine Acht­-Klassen­-Schule. Da waren grosse und kleine in den Schulbänken, aber auch ein Geflüster des Schwatzens.

Springende Burschen

Da unser Lehrer der grossen Schü­ler fast nicht mehr Herr wurde, kam es dazu, dass er sie strafen wollte. Ich sehe heute noch, wie zwei grosse Burschen über die Bänke sprangen, bis er einen er­wischte. Wir Kleinen hatten na­türlich Angst, aber mit uns war er lieb.

In meiner Klasse waren wir nur zwei Mädchen und fünf Buben. Ich lernte gerne, besonders wenn wir drei Klassen zusammen Lie­der singen lernten. «Chämifäger schwarze Maa» oder «De Chüefer gat ringsum, dede pum, pum, de Chüefer gat ringsum».

In der Schule lernten wir erst auf einer Tafel mit einem Griffel Zah­len und Buchstaben schreiben, jeden Tag etwas. Stolz zeigte ich meine neuen Künste. So vergin­gen die Monate. Der Trumpf war dann das erste Zeugnis. Der Leh­rer gab mir zu meinem Erstaunen alles gute Noten.

Tatzen zur Strafe

Drei Jahre ging ich zum alten Leh­rer Bossert zur Schule. Dann wur­de er pensioniert und ein neuer Abschnitt begann. In der 4. Klasse bekamen wir einen jungen, aber strengen Lehrer, Herrn Schneider. Da hörte das Schwatzen und Flüs­tern auf, sonst gab es einen Tatzen zur Strafe. Von nun an war es still im Schulzimmer.

Er war ein Bauernsohn, und als die Kirschen reif waren, stell­te er eine grosse Zaine voll ins Schulzimmer und verteilte alles an uns Kinder. Im Herbst brachte er Baumnüsse von zu Hause. Das war natürlich für alle eine gros­se Freude. Das werden wir ihm unser Leben lang nicht vergessen.

Lehrer für Krieg eingezogen

Dann brach der Erste Weltkrieg aus, 1914. Es war für viele Kin­der schwer, weil ihre Väter in den Militärdienst eingezogen wurden. Der Lehrer tröstete uns Kinder rührend und brachte uns ein Vaterlandslied bei. Generalmobilmachung war beim Gasthof Adler. Die Mütter weinten. Man wusste ja nicht, was uns alles erwartete. Später wurde unser Lehrer auch eingezogen. Vieles wurde rationiert: Milch und Brot, Kartoffeln, Mehl, Zucker. Reis gab es doppelt so viel, da vielmals die Kartoffeln sehr rar wurden. Reis hatte ich nicht gern, doch lernte ich es bald.

Barfuss auf Schulreise

In den Jahren 1917 und 1918 be­suchte ich die Sekundarschule bei Herrn Strickler, auch ein älterer Jahrgang. Er hielt sehr viel auf Disziplin. Ich ging sehr gerne in die Schule. Er war ein flotter Mensch. Es war immer noch Krieg, und er war sehr für Sparsamkeit. Wir durften alle barfuss laufen, sogar auf unserer grossen Schulreise ins Ritterhaus nach Bubikon. Er verlangte es von Arm und Reich. Noch heute muss ich lachen, wie die einen zimperlich taten.

Nun hiess es Französisch lernen. Alle fühlten sich stolz, wenn wir beim Diktat null Fehler hatten, auch ich. Ende 2. Klasse hatte ich genug von der Schule. Es war da­mals so Mode. Nur die mehr Bes­seren gingen drei Jahre.

Mitgeteilt von Denise Iten-Ueltschi, Enkelin von Elsa Ueltschi-Brunner