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Grüningen
23.02.2024
23.02.2024 10:02 Uhr

Der «Adler» soll verkauft werden

Der Landgasthof Adler ist seit 1830 in den Händen der Familie Baumann.
Der Landgasthof Adler ist seit 1830 in den Händen der Familie Baumann. Bild: mg
Stand der Grüninger Bevölkerung bis anhin ein Angebot von fünf Restaurants, zwei Cafés und einem Imbiss zur Verfügung, scheint sich das jetzt zu ändern. Der «Adler» soll verkauft werden. Für das Restaurant Freihof hat sich immerhin eine Lösung ergeben.

Andreas Baumgartner ist erleichtert. Nach monatelanger Suche hat der Besitzer des Restaurants Freihof einen Pächter gefunden. Zaki Abdullah und Michal Polak, die aktuellen Pächter der «Hochwacht», die umgebaut werden soll, haben im Januar den Pachtvertrag mit dem «Freihof»-Besitzer unterschrieben, schon im März soll es losgehen.

«Adler» soll verkauft werden

Eine Veränderung zeichnet sich auch beim Landgasthof Adler ab. Harry Baumann und Nicole Seinet wollen sich neu orientieren und den Betrieb verkaufen. «Die Verpachtung ist für uns keine Option, da bleibt man immer mit einem Bein drin, und das möchten wir nicht mehr», sagt der 58-jährige Baumann. Doch wer kauft einen Restaurationsbetrieb mit acht Hotelzimmern, dazugehörender Scheune und Parkplätzen vor dem Haus für 4,7 Millionen Franken?

Seit 1830 im Familienbesitz

«Ja, das wird sicher nicht einfach. Wir sind ein Dinosaurier-Betrieb und für eine Gastrokette wahrscheinlich nicht interessant», weiss der Gastronom, der den Verkauf Mitte Januar in die Hände eines Maklers gelegt hat. Drei Jahre gebe er ihm Zeit, dann müsse der Verkauf geregelt sein. Eine Klausel besage zudem, dass, wenn das Mindestangebot erfüllt sei, die Baumanns den Preis akzeptieren müssten.

Im «Adler» geht damit eine Ära zu Ende. Der Landgasthof ist seit 1830 im Besitz der Familie Baumann. Der erste Baumann, welcher den «Adler» führte, war Hs. Jacob Baumann, ein Hauptmann und Friedensrichter. Spätere Baumanns waren Kirchenpfleger und Gemeinderäte, Hermann Baumann- Wäspi sogar Gemeindepräsident. «Wir wollen nicht bis zum Umfallen weiterarbeiten», sagt Harry Baumann. Und weil keines seiner Kinder den Betrieb übernehmen wolle, gehe jetzt die «Ära Baumann» zu Ende. Natürlich würden auch die Baumanns es begrüssen, wenn der «Adler» gleich wie bisher weitergeführt würde. Was ein potenzieller Käufer aber mit dem Haus mache, könne er nicht beeinflussen. Wenn etwas ganz anderes daraus entstehe, müsse er das akzeptieren, sagt Baumann.

Harry Baumann und seine Frau Nicole Seinet vom «Adler» haben das Traditionslokal zum Verkauf ausgeschrieben. Bild: mg

85-Stunden-Wochen

Der Landgasthof sei ein sehr gut laufender Betrieb, doch niemand sei wirklich bereit, sich einzubringen. Der Beruf sei hart und die Zeit, sich zu erholen, beschränkt, sagt Baumann, der regelmässig 60 bis 85 Stunden pro Woche schuftet. Auch der ständige Mitarbeitermangel und die steigenden Ansprüche der Gäste haben den Baumanns zugesetzt. «Wir haben Allergiker, Vegetarier, Veganer und solche, die halbe Portionen möchten. Und am besten alles jetzt und sofort. Viele vergessen dabei, was alles hinter solchen Wünschen steckt.»

Ort für Vereine

Wichtig ist der «Adler» auch für die Vereine, die oft ihre Versammlungen im Landgasthof abhalten. Baumann könne nur versuchen, Einfluss auf die Auswahl eines künftigen Pächters zu nehmen, danach liege das nicht mehr in seinen Händen. «Ich habe acht Monate in der Neun-Millionen-Stadt-Tokio gelebt. Das sind neun Millionen Schicksale. Da relativiert sich der Verlust eines Restaurants in Grüningen.»

Beim «Bären» läuft’s

Wo die Vereine künftig Platz finden, sollte der «Adler» verkauft werden, darüber macht sich auch der Gastronom vom «Bären», Christian Mutschler, Gedanken. Er hat das historische Lokal seit 2014 gepachtet und ein kleines, feines Lokal daraus gemacht, das allerdings – auch aufgrund der vielen Buchungen – für Vereine zu wenig Platz bietet. Der «Bären» ist vor allem für seine Fisch- und Wildspezialitäten bekannt, die Mutschler als Jäger und Fischer oft gleich selbst in die Restaurantküche bringt. Mit 15 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet und Mitglied der Tafel zum goldenen Fisch, ist das Gourmetlokal auch bei vielen auswärtigen Gästen bekannt und beliebt.

Auch im kulturellen Bereich läuft dort einiges. So finden regelmässig Vorträge, eine Stubete sowie Kultur- und Kulinarikanlässe statt. «Eine schöne Karte reicht nicht», ist Mutschler überzeugt, «man muss etwas für die Leute und die Geselligkeit tun.» Er weiss um den Mitarbeitermangel, mit dem viele Betriebe zu kämpfen haben. Er selbst könne zum Glück mittlerweile auf ein gutes und eingespieltes Team zählen. Den «Bären» könne man aber auch nicht mit dem «Adler» vergleichen, der an 365 Tagen im Jahr geöffnet hat und auch Hotelzimmer vermietet.

Christian Mutschler vom «Bären». Bild: zvg

Neues Konzept für den «Hirschen»

Eine Möglichkeit für Vereine würde das Restaurant Hirschen bieten, wo es momentan eher ruhig ist. Vor einem Jahr hat Haci Gökbas als neuer Gastgeber das Restaurant übernommen. Er weiss, dass es bei einem Pächterwechsel immer Zeit braucht. Das Restaurant wurde vor Kurzem neu gestrichen und mit neuen Tischen und Stühlen ausgestattet. Jetzt will der Gastgeber das Konzept anpassen und aus dem «Hirschen» ein Steakhouse machen, wofür noch einige Anpassungen nötig seien. Momentan führt er das Restaurant nur mit einer Person. Auch er habe Mühe, gute Mitarbeitende zu finden.

Herausforderung für neue Generationen

Die Gastronomie sei ein schwieriges Business geworden, sagt auch Mirjam Egli, die 2019 mit ihrem Mann Jan Uwe Reiss das Restaurant Sonnenhof kaufte und 2021 bereits wieder schliessen musste. Corona hatte nicht nur ihnen, sondern der ganzen Gastronomie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zu der fehlenden Planungssicherheit sei auch der Mangel an Mitarbeitern dazugekommen. Viele hätten in andere Branchen mit geregelten Arbeitszeiten und mehr Sicherheit gewechselt, weiss Egli. Seit 2021 seien noch weitere Gründe dazugekommen, weshalb sie heute kein Restaurant mehr führen möchte. Gestiegene Energiepreise, Lohninflation in Gastroberufen, was eine direkte Folge des Personalmangels sei, die Teuerung bei den Lebensmittelpreisen und jetzt auch noch die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das alles führe auch dazu, dass die Bevölkerung sparsamer haushalten müsse. «Auswärts essen wird noch mehr zu einem Luxus, was in Bezug auf die Geselligkeit natürlich keine wünschenswerte Entwicklung ist», sagt Egli. Für die nächste Generation sei all dies eine echte Herausforderung, neue und wieder funktionierende Konzepte zu entwickeln.

«Hirschen»-Wirt Haci Gökbas mit seiner Freundin Rabiya Korkut. Bild: mg

Wichtig für die Geselligkeit

Dass es im «Freihof» weitergeht, darüber freuen sich nicht nur die Stammgäste, sondern auch die Vereine, allen voran der Jodelclub Bärgblueme, der sich regelmässig im Lokal zum geselligen Beisammensein und Jodeln trifft. Dass man künftig vielleicht auf den «Adler» verzichten muss, kann sich die Grüninger Bevölkerung kaum vorstellen, gehört der eindrückliche Landgasthof doch zum Dorf wie das Schloss oder das historische Stedtli.

Kommt für Letzteres dann endlich einmal die Umfahrung, könnte das auch das Aus für das gutgehende Restaurant «Bahnhöfli» bedeuten. Der Wegfall der Pizzeria wäre auf jeden Fall ebenfalls ein Verlust für die Gemeinde, denn die Grüningerinnen und Grüninger pflegen nach wie vor gerne die Geselligkeit und die Kulinarik im Dorf. Das sieht man auch beim erfolgreichen Café Bryggan in Itzikon, das an drei Tagen geöffnet hat und sich zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt hat.

Ueli und Karin Braun vom «Freihof» haben das Wirten Ende 2023 aufgegeben. Bild: mg
Martina Gradmann, Redaktion Grüninger Post