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Grüningen
20.10.2023

Itzikon, wie ich es erlebt habe

Die Familie Germann mit Nachbarn bei der Heuernte (ca. 1955–1960).
Die Familie Germann mit Nachbarn bei der Heuernte (ca. 1955–1960). Bild: Familienarchiv J. Germann
Der 88-jährige Grüninger Josef Germann schildert, wie er Itzikon seinerzeit erlebt hat. Eine beeindruckende Zeitreise von 1942 bis heute.

Itzigen war zu dieser Zeit noch ein Bauerndorf mit Viehhaltung – hauptsächlich Braunvieh. Man musste auf den Höfen noch fast alles von Hand erledigen. Dabei musste die ganze Familie mithelfen. Das Mähen, Melken, Misten und das Einbringen des Futters und Getreides, dann die Waldarbeiten mit Säge und Axt und viel anderes dazu. Immerhin hatten einige eine Mähmaschine, Heuwender und Schwadenrechen. Bei vielen Arbeiten war man auch auf die Hilfe der Nachbarn angewiesen, zum Beispiel beim Dreschen.

In meiner frühen Jugend hatte ich noch erlebt, wie mit kleinen Stiften-Dreschmaschinen gearbeitet wurde, zum Teil noch von Hand betrieben. Die Maschine war so gross übersetzt, dass es vier Mann brauchte, um die Maschine in Schwung zu halten. Das gedroschene Korn musste noch mit einer Röndle gereinigt werden, die wurde ebenfalls von Hand betrieben. Denn es hatte noch lange nicht jeder Hof einen Starkstromanschluss.

Wenn eine grössere Dreschmaschine angeschafft wurde, musste an einigen Höfen mit provisorischen Stangensteckern nachgeholfen werden oder aber man konnte das Dreschgut dorthin bringen, wo alles funktionierte.

Bäckereien und Restaurants

Die grösseren Betriebe konnten sich noch einen Knecht leisten, die kleineren Betriebe waren dazumal schon auf einen Nebenverdienst angewiesen. Dazu mussten die meisten auswärts arbeiten gehen – im Dorf gab es praktisch keine Verdienstmöglichkeiten. In Itzikon hatte es zwei Bäckereien, eine im Unterdorf, die andere beim Engpass. Die im Unterdorf war bis gegen die Jahrhundertwende noch in Betrieb.

Zwei Wirtschaften waren auch noch vorhanden; der «Frohsinn» war im hinteren Dorfteil, später gehörten noch eine Hühnerfarm und Schweinemästerei dazu. Beim Bach befand sich die Wirtschaft von Barbara Wettstein mit dem Übernamen «Bäbä», wo auch ein kleiner Laden angeschlossen war.

In den Wirtschaften wurden die Versammlungen der Käserei-Genossenschaft und der Waldkooperation durchgeführt. Auch für den Milchzahltag wurden die Milchlieferanten dorthin eingeladen. Neben dem Bach war die Käserei, wo die angelieferte Milch zu Tilsiter verarbeitet wurde. Die Schotte, ein Abfallprodukt der Käserei, wurde von den Bauern zurückgenommen und den Schweinen verfüttert.

Gerätemiete

Die Milchlieferanten waren in einer Käsereigenossenschaft zusammengeschlossen. Die Käsereigenossenschaft schaffte auch noch Geräte und Maschinen an, z. B. Pflug, Ackerstriegel, Ackerwalze und Sämaschine. Später kamen auch noch grössere und teurere Maschinen dazu wie Getreidemühle, Druckfass, Mistkran und Mistzettmaschine. Die Tarife für die Benutzung der Geräte wurden jedes Jahr an der Generalversammlung neu festgelegt.

Holzschuhe als Nebenerwerb

Nachdem die Käseproduktion eingestellt worden war, wurde aus der Käsereigenossenschaft eine Milchproduzentengenossenschaft. Im Unterdorf hatte es noch das Baugeschäft von Paul Gadola. Wenn er viel Arbeit hatte, konnten die Bauern aus dem Dorf bei ihm etwas dazuverdienen.

Dorfladen mit reichhaltigem Angebot

Der Bauer Christian Steiner sen. hatte in seinem Haus eine Werkstatt für die Herstellung von Holzschuhen als Nebenerwerb eingerichtet. Wie in jedem Dorf, war auch in Itzikon ein Ladengeschäft, zuerst als Kosumdepot der Landw. Genossenschaft Gossau Grüningen Oetwil.

Trotz der kleinen Ladenfläche war das Angebot reichhaltig. Früher war nur wenig fertig verpackt. Daher musste die Verkäuferin fast alles aus der Schublade in Papiersäcke abfüllen und wägen und dazu noch den Preis berechnen.

Neubau mit Selbstbedienung

Mit dem Neubau des Ladens wurde die Verkaufsfläche erweitert und die Selbstbedienung eingeführt. Im neu erbauten Gebäudeteil wurde auch die Milchsammelstelle angegliedert. Beides wurde aufgegeben, weil der Laden zu wenig Umsatz generierte und weil für die Milch die Hofabfuhr eingeführt wurde.

Itzikon hatte noch vier Bauern, Fritz Heiniger, Friedel Tanner, Gottfried Trüeb und Paul Weber, die sich auch als Imker betätigten und Honig zum Kauf anboten.

Ein Ort zum Verweilen

Richtung Binzikon nach dem Wasserfall war zu der Zeit noch eine Sägerei, später wurde eine Zimmerei angebaut. Auch hier wurde beides aufgegeben. Ofenbauer Christinger hat die Liegenschaft erworben und richtete sein Geschäft in den bestehenden Hallen ein. Nach 100 Metern im Rebacher befand sich die öffentliche Schuttablagerung. Dort konnte alles entsorgt werden, was nicht mehr gebraucht wurde. Für die Itziker Buben war es ein Ort zum Verweilen. Es wurde vieles nach Hause geschleppt, das vorher entsorgt wurde.

Eigene Feuerwehr

Itzikon hatte sogar einst eine eigene Feuerwehr, ebenfalls mit einem Hydranten-Corps mit einem Schlauchwagen, ein Rettung-Corps mit einer grossen Schiebeleiter mit Streben und einer kleinen Schiebeleiter. Dazu hatte Itzikon eine eigene Wasserversorgung mit einem Reservoir auf der «Späni», aber für die Feuerbekämpfung war der Wasserdruck viel zu gering. Es brauchte einen Anschluss an eine Pumpe. Dieses Reservoir wurde schon vor meiner Zeit ausrangiert und durch die Wasserversorgung vom Hellberg ersetzt.

Der 88-jährige Josef Germann ist in Grüningen geboren. Bild: mg

Viele Obstbäume

In Itzikon hatte es zu dieser Zeit viele Obstbäume, alles Hochstamm mit alten Sorten Apfel, Birnen und auch Steinobst. Mir bekannt waren Uster Apfel, Boskop, Gravensteiner, Berner Rosen, Surgrauch und Leuenäpfel, bei den Birnen war der Gelbmöstler am meisten verbreitet. Das Obst brauchte man zum Teil für die Selbstversorgung. Bei den meisten Bauern stand eine Mosti auf dem Hof und jeder machte seinen eigenen Most, allerdings nicht immer mit gutem Erfolg. Der Trester wurde in Fässern eingemacht, daraus gab es dann den Schnaps. Das Obst, das nicht gebraucht wurde, konnte an Grossmostereien verkauft werden. In Gossau war eine und in Bubikon waren zwei Mostereien. Viel Obst wurde abgeführt mit Lastwagen zur Mosterei Zweifel in Höngg oder zur Obstverwertung Wädenswil. Verladen wurde das Obst bei der Brückenwaage beim Restaurant Bahnhof, aber mit der Zeit ging der Mostkonsum zurück und die Mostobst-Ernte konnte nicht mehr vollumfänglich verwertet werden. Mit der Herstellung von Süssmost konnte der Rückgang etwas gebremst werden. Auch starben viele alte Bäume ab und mit staatlichen Baumfällaktionen konnte die Produktion dem Verbrauch angepasst werden.

Wydrenriet zu Kulturland verändert

Mitten im 2. Weltkrieg musste viel Streuland zu Kulturland gemacht werden. Auch Itzikon war betroffen. Das Wydenriet musste entwässert werden. Die trockengelegte Fläche wurde mit grossen Raupentraktoren gepflügt und mit viel Mühe und Schweiss zu einem Saatbeet aufgearbeitet. In den ersten Jahren säte man Getreide. Die Erträge waren sehr schlecht – viel mehr als der ausgesäte Samen wurde nicht geerntet. Es gab auch noch andere Feuchtgebiete, von denne viele ebenfalls trockengelegt wurden. Das Itziker Riet, das Oberriet und das Brugglenriet sind Naturschutzgebiete und werden weiterhin als Streuland genutzt.

Wasser keine Selbstverständlichkeit

In den Jahren 1947 und 1949 erlebte man zwei ganz trockene Sommer. Die Brunnen versiegten alle. Die Bauern, die noch nicht an der Wasserversorgung angeschlossen waren, mussten das Wasser für Mensch und Tier zuführen.

Nach dem trockenen Sommer hatte man eingesehen, dass für diese Höfe ein Anschluss an die Wasserversorgung dringend nötig wurde. Es wurde ein Projekt ausgearbeitet für eine Wasserleitung von der Späni bis zum Ammentännli. Im zweiten trockenen Sommer wurden die Arbeiten begonnen. Der Graben wurde in Handarbeit ausgehoben, zum Teil im Akkord. Nur dort, wo es felsig war, wurde im Stundenlohn gearbeitet. Für die Wasserleitung verlegte man Eternitrohre bis zu den Hausanschlüssen und jeder Hof erhielt noch einen Hydrant. Vorher wäre eine Brandbekämpfung gar nicht möglich gewesen. Nach etwa 25 Jahren wurden diese Leitungen erweitert zur vorderen und hinteren Brugglen und als Ringleitung weiter bis in die Reipen.

Pferde, Ochsen und Kühe

Als Zugkraft hatten die grösseren Bauern Pferde oder Ochsen, andere mussten Kühe einspannen. Bei schwereren Arbeiten, z. B. beim Pflügen, beim Pfaden im Winter oder für Holztransporte aus dem Wald, mussten die Bauern zusammenspannen.

Mechanisierung

Nach Kriegsende begann die Mechanisierung der Landwirtschaft. Als Erstes kamen die Motormäher, dann die Traktoren. So weit ich mich noch erinnern kann, war der erste Traktor in Itzikon ein Hürlimann D50 auf dem Betrieb von Heinrich Kunz und ein Bührer Spezial bei Steiner Christian, Anfang 1950er-Jahre. Mit dem Ankauf von Traktoren wurden die Pferde nicht mehr als Zugkraft gebraucht und die Pferdehaltung wurde zum Hobby für die Reiterei. Die Ochsengespanne sind ganz verschwunden und die Kühe sind wieder nur zum Melken da.

Für die Arbeiten auf dem Hof wird heute nicht mehr die ganze Familie gebraucht. Und mit der Mechanisierung sind viele Bauern zu Einzelkämpfern geworden. Vieles ist heute anders. In meiner Jugendzeit hat man im Sommer in der Erntezeit das Essen mit aufs Feld genommen und hat unter einem Baum zusammen mit der ganzen Familie gegessen. Heute sieht man das nicht mehr und der Baum ist auch weg.

Josef Germann

Josef Germann ist 1935 im Weiler Rietli in Itzikon geboren. Seine Eltern führten einen Landwirtschaftsbetrieb.

Germann besuchte die Landwirtschaftsschule und arbeitete als Landwirt sowie als Aushilfe bei Bauernbetrieben und auf dem Bau. Später arbeitete er viele Jahre bei der Post Grüningen. Josef und seine Frau Elisabeth haben fünf Kinder, von denen drei noch in Grüningen wohnen.

Er und seine Frau wohnen heute im Sewo und sind immer noch häufig im Dorf anzutreffen.

Josef Germann