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Bäretswil
14.06.2023
14.06.2023 19:20 Uhr

Bald mehr Kieszüge von Hinwil nach Bäretswil

Gewinnoptimierung: Güterzüge spülen Geld in die Kasse der Schienennetzbetreiber.
Gewinnoptimierung: Güterzüge spülen Geld in die Kasse der Schienennetzbetreiber. Bild: FBB
Auf der Bahnlinie zwischen Hinwil und Bäretswil soll schon bald eine höhere Verkehrskadenz herrschen. Die Bewohnenden fürchten um ihre Sicherheit. Die Verantwortlichen sehen keine Probleme damit.

Es ist eine romantische Szenerie: Ein lauter Pfiff, ein rhythmisches Tuckern. Und eine schwarze Lokomotive, die weisse Dampfwolken in den Himmel bläst und nostalgische Wagen nach sich zieht. Im Zürcher Oberland gehört dies zum Alltag – beispielsweise auf der sechs Kilometer langen Strecke zwischen Hinwil und Bäretswil, wo die nostalgischen Züge zu den grössten Touristenattraktionen zählen.

Vier Güterzüge pro Tag

Doch schon bald ist es auf der beliebten Ausflugsstrecke mit dem gemächlichen Tempo vorbei. Durch den Neubau des Kieswerks Bäretswil soll die historische Route stärker vom Güterverkehr genutzt werden. Konkret: Ab 2026 werden pro Tag zwei Kieszüge ihre Fracht vom Kiesabbaugebiet in Tagelswangen via Hinwil nach Bäretswil befördern – für 16 Jahre. Ab 2042 sind dann für die nächsten zehn Jahre pro Tag vier Frachtzüge vorgesehen.

Obwohl das Projekt langfristig angelegt ist, macht man sich in der betroffenen Region schon jetzt Sorgen – wegen der drohenden Lärmemission und wegen der unbewachten Bahnübergänge an der heute nur sporadisch befahrenen Strecke. Vor allem Eltern fürchten um die Sicherheit ihrer Kinder.

Einer der unbewachten Bahnübergänge auf der Strecke von Hinwil nach Bäretswil. Bild: Google Street View

«Die unbewachten Bahnübergänge entsprechen den Vorschriften»

Auf Anfrage von Zürioberland24 bei der Gemeinde Bäretswil verwies man an das Kieswerk, das von der FBB Frischbeton AG betrieben wird. Auch dort kann man allerdings über die Sicherheit an der Bahnstrecke nichts sagen. Geschäftsleitungsmitglied Markus Ruff sagt dazu nur: «Für den Transport ist SBB Cargo zuständig – und die Bahnstrecke gehört der Sursee-Triengen-Bahn. Falls bauliche Massnahmen geplant wären, müssten sie dort initiiert werden.»

Bei besagtem Unternehmen hat Geschäftsführer Matthias Emmenegger Verständnis für die Sorgen der Zürcher Oberländer Bevölkerung. Gleichzeitig sagt er aber: «Die unbewachten Bahnübergänge zwischen Hinwil und Bäretswil entsprechen den Vorschriften. Die Strecke ist sicher. Sonst hätten wir schon jetzt gehandelt.» Grundsätzlich gelte folgendes Prinzip bei unbewachten Bahnübergängen: «Wenn die Frequenz gering, das Tempo tief und die Sicht gut ist, besteht kein Sicherheitsrisiko – solange die Menschen aufmerksam sind und sich an die Regeln halten.» 

Moderne Güterzüge beleben das Geschäft

Emmenegger gibt allerdings zu, dass sein Unternehmen aus kommerziellen Gründen an einer erhöhen Frequenz auf der nostalgischen Strecke interessiert ist: «Bei Gütertransport auf der Schiene besteht dasselbe Prinzip wie bei der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe auf der Strasse: Mit jeder Tonne an Gütern, die über unser Schienennetz transportiert wird, verdienen wir Geld für den Streckenunterhalt.»

Mit anderen Worten: Von Dampf und Liebe (zu nostalgischen Zügen) lässt sich im Eisenbahnbusiness nicht leben. Moderne Güter- und Personenzüge beleben das Geschäft. Derweil sind für die Sicherheit die anderen Verkehrsteilnehmer:innen zuständig.

Auszug aus der Präsentation am Informationsanlass vom 9. November 2022 in Bäretswil. Bild: FBB / Gruner

24 % mehr Lastwagen-Fahrten nach Wetzikon

Nicht nur der Bahnverkehr wird mit dem privaten Gestaltungsplan zunehmen. Für den Abtransport wird werktags mit ca. 70 zusätzlichen Lastwagen pro Tag zwischen Bäretswil und Wetzikon gerechnet. Gemäss Gestaltungsplan entspricht dies einer Zunahme um 24 %. Für die Gemeinde Bäretswil entstehe kein ausschlaggebender Mehrverkehr.

Auf der Tössstalstrasse wird mit 70 zusätzlichen Lastwagenfahrten pro Tag in Richtung Wetzikon gerechnet. Bild: Google Street View

Privater Gestaltungsplan "Schürli" – darum geht's

Die Kies AG betreibt in Bäretswil seit 1993 eine Schotterwaschanlage. 1959 wurden die Bauten des heutigen Kieswerkes erstellt, in welcher neben der Schotterwaschanlage auch die Aufbereitung von Aushubmaterial hinzukam. Die gesamte in die Jahre gekommene Anlage soll mittels Ersatzbauten und Neubauten modernisiert und erneuert werden.

Im Rahmen der Modernisierung der Anlage ändert die Nutzung von der Schotter- und Aushubwaschanlage in eine Kieswaschanlage. Dabei dient die Anlage der Weiterverarbeitung von unverschmutztem Kies- und Moränenmaterial, welches mehrheitlich mit der Bahn aus Materialentnahmestellen angeliefert wird.

Durch den Gestaltungsplan soll die Erneuerung, Modernisierung und Nutzungsanpassung des bestehenden Kieswerkes ermöglicht werden. Insbesondere soll mit dem Gestaltungsplan eine Abweichung zur Regelbauweise hinsichtlich der maximalen Gesamthöhe erreicht werden.

Der Gemeinderat Bäretswil hat an seiner Sitzung vom 21. September 2022 den privaten Gestaltungsplan "Schürli, Bäretswil" für die Anhörung und öffentliche Auflage freigegeben, das Projekt lag von Oktober bis Dezember 2022 öffentlich auf. Am 9. November 2022 lud die Kies AG zum öffentlichen Info-Anlass. Geplant war, den Plan an der Gemeindeversammlung im Juni 2023 vorzulegen. Das Geschäft ist jedoch für die Versammlung vom 14. Juni 2023 nicht traktandiert. Der Zeitplan für die nächsten Schritte ist noch offen.

Weiterführende Informationen:

> Erläuterungsbericht
> Situationsplan

Historische Bahnlinie

Die Bahnstrecke von Hinwil nach Bauma war einst Teil der Uerikon-Bauma-Bahn (Uebb), die als eigenständige Bahngesellschaft von 1901 bis 1948 bestand und als Traversbahn drei Haupttäler mit vier SBB-Knotenbahnhöfen untereinander verband.

Ihr Bau wurde wesentlich angestossen vom Tösstaler Industriellen Adolf Guyer-Zeller, der durch Spekulation mit Gotthardbahn-Aktien zu viel Geld gekommen war und seine Textilfabrik im Neuthal mit einem Normalspuranschluss erschliessen wollte. Die Uebb rentierte nie richtig und gelangte bald nach dem 2. Weltkrieg zur Liquidation.

Ihr oberer Teil, Hinwil - Bauma, wurde 1947 durch den Kanton Zürich elektrifiziert und dann an die SBB abgetreten. Bis 1969 gehörte sie zur Nebenlinie (Zürich-)Effrektion - Wetzikon - Hinwil - Bauma, darauf wurde der Personenverkehr zwischen Wetzikon und Bauma auf die Strasse verlegt.

Für das Betonwerk in Bäretswil finden nach wie vor täglich Gütertransporte statt. Seit 1978 ist die Infrastruktur die Heimstatt für die musealen Züge des Dampfbahn-Vereins Zürcher Oberland (DVZO).

Im Jahr 2000 wurde der Abschnitt Bäretswil - Bauma vom der SBB an den DVZO abgetreten, und 2018 fand die Eigentumsübertragung der Stecke Hinwil - Bäretswil von der SBB an die Sursee-Triengen-Bahn AG (ST) statt. Gleichzeitig übernahm die ST die Strecke Bäretswil - Bauma vom DVZO in Pacht, so dass die Gesamtstrecke wieder in einer Hand vereinigt ist.

Der DVZO pflegt auf eigene Rechnung diverses bahnhistorisches Kulturgut an der Strecke, unter anderem Abläutglocken, mechanische Zugsignale verschiedener Generationen sowie alte Barrieren.

Quelle: sursee-triengen-bahn.ch

Thomas Renggli / Barbara Tudor