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Grüningen
08.02.2023
09.02.2023 13:00 Uhr

Sanierung von historischen Häusern – eine Herausforderung

Das alte Pfarrhaus erstrahlt dank sorgfältiger Sanierung in neuem Glanz.
Das alte Pfarrhaus erstrahlt dank sorgfältiger Sanierung in neuem Glanz. Bild: Martina Gradmann
Vor einem Jahr wurde das alte Pfarrhaus im Stedtli saniert und erstrahlt heute in neuem Glanz. Für die Heimatschutzgesellschaft Grüningen als Besitzerin dieser und weiterer historischer Liegenschaften in Grüningen sind solche Sanierungen eine Herausforderung, denn oft kommen ungeahnte Details ans Licht.

Das historische Haus mit seinen leuchtend roten Riegelbalken am Eingang des Stedtli fällt einem gleich ins Auge. Vor einem Jahr wurde es aufwändig saniert, was für die Besitzerin, die Heimatschutzgesellschaft Grüningen (HSG), eine besondere Aufgabe war.

Hohler Elefantenfuss

Heute ist das Mauerwerk geflickt und die Balken sehen fast wie neu aus. Dahinter steckt viel Arbeit. «Auf diesem Sockel, welcher Teil der alten Stadtmauer ist, wurde das alte Pfarrhaus errichtet», erklärt Walter Pfister, Vizepräsident der HSG und Verantwortlicher für die Sanierung dieses historischen Gebäudes. Der «Elefantenfuss», wie der Sockel genannt wird, war innen hohl und musste aus Gründen der Tragfähigkeit komplett mit Beton ausgegossen werden.

Im Bereich der Südfassade mussten zudem alle Kanalisationsleitungen freigelegt und geflickt werden. Erst dann konnte man mit der Fassade beginnen. «Die portugiesischen Arbeiter der Firma Gadola Bau AG sind wahre Meister ihres Fachs und haben die ganze Betonmauer so bearbeitet, dass sie wie eine historische Mauer aussieht», begeistert sich Pfister noch heute.

Der Sockel, auf dem das Haus steht, war hohl und musste komplett mit Beton ausgegossen werden. Bild: Ueli Lüthi
«Die portugiesischen Arbeiter der Firma Gadola sind wahre Meister ihres Fachs. »
Walter Pfister, Heimatschutzgesellschaft Grüningen

Verwitterte Fassade und morsche Holzbalken

Nach fast 40 Jahren war das alte Pfarrhaus in einem baulich schlechten Zustand. Die Fassade war verwittert und das Mauerwerk sowie die Riegel erforderten eine dringende Auffrischung. Für die Abklärungen über den Zustand des Riegelwerks, der Dachflächen, Dachrinnen und Abläufe wurde Ueli Lüthi, ein Spezialist für Fassadensanierungen an historischen Gebäuden, beigezogen. Er unterstützte die Fachleute der Gadola Bau AG als Bauleiter.

Als Erstes musste bei allen Riegelfeldern der alte Verputz entfernt und nach der Reparatur des Holzwerks (Riegelbalken) ein neuer mineralischer Putz aufgetragen werden. «Es zeigte sich rasch, dass die alten Holzbalken in einem sehr schlechten Zustand und teilweise verfault waren», sagt Pfister. Diese hätten zuerst geflickt werden müssen, wofür allein der Holzfachmann Andi Kunz 380 Arbeitsstunden aufwenden musste.

Bei der Sanierung von historischen Häusern komme immer wieder Unverhofftes ans Licht und stelle den ganzen Plan auf den Kopf. Und es brauche ausgewiesene Fachleute, sonst sei eine Sanierung nicht nachhaltig, weiss man bei der Heimatschutzgesellschaft.

  • Holzfachmann Andi Kunz am Werk. Die alten Holzbalken waren in einem schlechten Zustand und mussten teilweise ersetzt werden. Bild: Ueli Lüthi
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  • Meisterwerk von portugiesischen Handwerkern: die Fassade des alten Pfarrhauses. Bild: Ueli Lüthi
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Früher kein repräsentatives Gebäude

Riegelhäuser galten früher als «Arme-Leute-Häuser», und oft habe man zur Abdichtung Papier oder Holzspäne verwendet. Auch das alte Pfarrhaus, das 1982 von der HSG erworben wurde, war davor nur rudimentär aufgefrischt worden, was die jetzige Sanierung umso aufwändiger machte. Vor dem Anbringen des neuen Verputzes musste das bestehende Holzwerk mechanisch gereinigt und grundiert werden.

Auch die Untersuchung des Daches zeigte, dass viele der alten Ziegel gebrochen waren und durch den Dachdecker Albert Weber wieder mit den gleichen Biberschwanz-Ziegeln ersetzt werden mussten.

Fast 400 000 Franken

Trotz vielen unvorhergesehenen zusätzlichen Arbeiten konnte das Bauvorhaben mit nur zwei Wochen Verzögerung schliesslich im September 2021 abgeschlossen werden. Die Kosten für die HSG beliefen sich auf 396 418 Franken. Die Gemeinde beteiligte sich mit 40 000 Franken an den Kosten.

Ein Pfarrhaus, in dem kein Pfarrer wohnt

Im alten Pfarrhaus wohnt übrigens schon lange kein Pfarrer mehr. Dafür freuen sich die Mieterinnen und Mieter in diesem historischen Gebäude über den neuen Glanz ihres Wohnhauses.

«Der Entscheid, mit lokalen Handwerkern zusammenzuarbeiten, hat sich einmal mehr bewährt.»
Walter Pfister

Das «alte Pfarrhaus» wurde 1654 erstellt und steht auf dem Rest der alten, südseitigen Stadtmauer. Von 1678 bis 1882 diente es als Wohnsitz für den Pfarrer, bis dieser 1832 ins Schloss übersiedelte. Dies änderte sich erst 2014 wieder, als die Gemeinde das Schloss übernahm, der Öffentlichkeit zugänglich machte und der Pfarrer nach Binzikon umzog.

Das bald 400-jährige Haus hat viele bauliche Veränderungen erlebt, die zum Teil noch heute erkennbar sind. So wurde beispielsweise eine auf der Ostseite erstellte Hafner-Werkstatt beim Ausbau der Kantonsstrasse 1949 wieder abgebrochen. 1770 wurde die Giebel-Lukarne mit Dachkammer eingebaut, und im Inneren weist das Gebäude schöne Riegel- und Deckenmalereien auf. Auffällig sind auch die dreieckigen «Seelenfensterchen» an der Nordfassade, die noch heute gut sichtbar sind.

Dieser Beitrag ist auch in der «Grüninger Post» erschienen.

Martina Gradmann