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Grüningen
22.02.2022

Wie sollen Jugendliche mit psychischen Problemen umgehen?

Für ihre Maturaarbeit hat Annina Sutter auch eine Broschüre mit Präventionsmassnahmen erstellt.
Für ihre Maturaarbeit hat Annina Sutter auch eine Broschüre mit Präventionsmassnahmen erstellt. Bild: Martina Gradmann
Die 18-jährige Annina Sutter aus Grüningen hat ihre Maturaarbeit an der Kantonsschule Zürcher Oberland (KZO) dem Thema «Prävention im Umgang mit psychischen Krankheiten bei Schüler*innen» gewidmet. Im Interview erklärt sie, weshalb ihr das Thema so am Herzen liegt.

Studien haben gezeigt, dass überdurchschnittlich viele Jugendliche während der Pandemie wegen psychischer Erkrankungen behandelt werden mussten. Betroffen sind auch Schülerinnen und Schüler der KZO Wetzikon, was die Maturantin Annina Sutter bewogen hat, sich dem Thema vertiefter anzunehmen und auch Lösungsvorschläge zu präsentieren. 

Zürioberland24: Deine Maturaarbeit behandelt die psychische Gesundheit von Jugendlichen, wie man Anzeichen für eine Erkrankung erkennen und wie man helfen kann. Weshalb hast du dieses Thema gewählt?

Annina Sutter: Die Psyche von Jugendlichen wird in letzter Zeit sehr stark belastet. An meiner Schule und generell hört man immer häufiger von neuen Krankheitsfällen. Die Zahl der betroffenen Jugendlichen steigt und stellt so eine steigende Belastung der gesamten Jugend dar. Mir ist aufgefallen, dass – trotz der vielen Betroffenen – das Problem in unserer Gesellschaft wenig angesprochen wird. Psychische Krankheiten werden tabuisiert und stigmatisiert, will heissen, dem Thema werden grosse Vorurteile und Schamgefühle entgegengebracht. Aus der Wahrnehmung vieler Schülerinnen und Schüler wird auch an Schulen nicht genug dagegen unternommen. Für mich persönlich war es an der Zeit, etwas zu verändern.

«Psychische Erkrankungen werden unter den Teppich gekehrt, weil man nicht weiss, wie man damit umgehen soll.»
KZO-Maturantin Annina Sutter

Du sagst, du weisst von vielen Schülerinnen und Schülern an eurer Schule, die psychische Probleme haben. Weshalb ist das so, was meinst du?

Heutzutage erleben Jugendliche einen unglaublichen Druck von verschiedenen Seiten. Von der Schule, der Familie, von Freunden, vom Internet usw. In unserer Gesellschaft nimmt das «offen über negative Gefühle sprechen» erst seinen Anfang. Viele wissen nicht, wie sie mit psychischen Erkrankungen umgehen sollen, weil richtige und hilfreiche Informationen nicht weit genug verbreitet sind. Das führt dann dazu, dass das Problem unter den Teppich gekehrt wird, weil man nicht weiss, wie damit umzugehen ist. Essstörungen, als Beispiel, kann sich schnell in einer Gruppe von Schülerinnen ausbreiten und sehr gefährlich für ihre Gesundheit werden. Trotzdem schaut man oft nur zu und unternimmt nichts Effektives dagegen.

Statistiken* zeigen, dass während der letzten zwei Corona-Jahre vermehrt Jugendliche mit psychischen Problemen zu kämpfen hatten. Kannst du das bestätigen, stimmt das mit deinen Erfahrungen überein?

Absolut. In meiner Arbeit habe ich mich zwar nicht in erster Linie auf die Pandemie fokussiert, aber trotzdem macht es für mich Sinn, dass die Zahlen* steigen. Alle Menschen brauchen ein Ventil für den vorhin erwähnten Druck. Solche Ventile bieten sich in Freizeitaktivitäten: Mit Freunden oder der Familie Ausflüge unternehmen, Hobbies pflegen, an Partys gehen usw. Das bietet uns Jugendlichen die nötige Abwechslung im Alltag und eine Chance, auf andere Gedanken zu kommen.

Durch die Pandemie wurden uns die meisten dieser Ventile weggenommen, was sich allein schon schlecht auf die Psyche auswirkt. Dazu kommen dann noch die permanente Unsicherheit, Zukunftsängste, individuelle Sorgen, weniger Kontakt mit dem sozialen Umfeld, was oft zu Einsamkeit führt. Und dies alles in unseren Jahren, in denen wir eigentlich gerade uns selbst und unsere Zukunft finden sollen.

«Der wichtigste Punkt, den ich auch in meiner Arbeit betone, ist, darüber zu sprechen.»
Annina Sutter

Was soll man deiner Meinung nach tun, wenn man merkt, dass eine Kollegin oder ein Kollege psychische Probleme hat?

Der wichtigste Punkt ist, wie ich auch in meiner Arbeit mehrmals betone, dass man darüber spricht. Menschen mit psychischen Problemen brauchen die Bestätigung, dass man sie nicht im Stich lässt. Die Gesellschaft kehrt den Betroffenen aber häufig den Rücken zu. Die Betroffenen haben Angst, über ihre Gefühle und Wahrnehmungen zu sprechen, obwohl genau dies ein entscheidender Punkt auf dem Weg zur Genesung ist.

Der beste Ansatz, wie man seine betroffenen Kolleginnen und Kollegen unterstützen kann, ist ihnen zu zeigen, dass sie sich nicht schämen müssen und offen über ihre Krankheit sprechen können. "Gesunde" Menschen haben keinen Einblick in die Gedanken einer betroffenen Person. Nur durch einen offenen und ehrlichen Austausch ist es möglich, die Person zu verstehen und zu lernen, wie man sich in gewissen Situationen verhalten soll. So kann man individuell unterstützen und Akzeptanz zeigen.

Man sollte Betroffene zudem auch ermutigen, sich professionelle Hilfe zu holen. Denn psychische Krankheiten können nur durch jene Hilfe geheilt werden. Es ist keine Schande in eine Therapie oder stationär in eine Klinik zu gehen, im Gegenteil. Es ist der beste Ansatz, um zu genesen.

Du bist selbst eine Jugendliche. Was machst du für deine psychische Gesundheit?

Durch meine Arbeit habe ich gemerkt, dass es wichtig ist, seine psychische Gesundheit zu pflegen. Ich versuche beispielsweise immer dann Pausen einzulegen, wenn meine Psyche das braucht. Sich ständig an die eigenen mentalen Grenzen zu treiben, kann viel Schaden anrichten. Ich versuche meine eigenen Tipps in der Arbeit zur Unterstützung der psychischen Gesundheit zu befolgen: Herausfinden, wie ich entspannen kann, meine Emotionen kennenlernen und verstehen sowie eine gute Balance zwischen aktiver Zeit und Entspannung finden.

In meiner Maturaarbeit lege ich der Leserin und dem Leser ans Herz, sich professionelle Unterstützung zu suchen, um herauszufinden, ob man eine psychische Krankheit hat oder nicht. Eine Therapie kann auch "gesunden" Menschen viel helfen – wenn der passende Therapeut bzw. die passende Therapeutin auch die passende Therapiemethode findet, zum Beispiel das Aufarbeiten von gewissen Themen und Dinge für die Zukunft zu lernen. Auch so kann man einer Erkrankung vorbeugen. Ich sage hier also stolz und ohne Scham, dass auch ich eine Therapie besuche.

u.a. *Unicef Studie «Psychische Gesundheit von Jugendlichen» 2021

Prävention im Umgang mit psychischen Krankheiten bei Schüler:innen

Die Maturarbeit beinhaltet die Aufklärung und Hilfestellung mit Fokus auf Essstörungen und Depression, einen Kommentar zur Arbeit und eine Broschüre mit Hilfestellungen, welche Sutter bei ihrer Präsentation verwendete. 

Einige Punkte, um sich selbst mental zu unterstützen:

  • Lerne deine Emotionen kennen. Was macht dich glücklich, was wütend?
  • Stimmungs-Tagebuch oder Tagebuch führen
  • Balance zwischen aktiver Zeit und Entspannung finden.
  • Was hilft dir, um Stress abzubauen? Sport? Musik? Schreiben? Singen? Spazieren?
  • Erstelle eine Liste mit Dingen, die dich motivieren, z.B. Songs, Aktivitäten, Menschen, Zitate
  • Einfach mal Zeit nehmen um durchzuatmen.

Quelle: Annina Sutter / KZO Wetzikon

Martina Gradmann