Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Gossau ZH
11.02.2022
11.02.2022 07:27 Uhr

«Ich kann den Schnee nicht mitnehmen»

Die Brüder Markus und Simon Heusser aus Bertschikon fahren seit vielen Jahren Winterdienst für Gossau ZH.
Die Brüder Markus und Simon Heusser aus Bertschikon fahren seit vielen Jahren Winterdienst für Gossau ZH. Bild: Barbara Tudor
Schüttelt Frau Holle ihr Duvet und es fällt Schnee, ist der Werkhof der Gemeinde Gossau ZH besonders gefragt. Unter der Leitung von Rolf Zahnd wird der grösste Teil der Arbeiten direkt vom 9-köpfigen Werkhof-Team übernommen. Bei starkem Schneefall jedoch oder bei überraschenden Wetterverhältnissen wie Eisglätte braucht es zusätzliches Personal. Für diesen Fall stehen der Gemeinde fünf selbständige Unternehmer mit eigenen Fahrzeugen auf Abruf zur Verfügung. Einer von ihnen ist der Landwirt Markus Heusser vom Oberwis-Hof in Bertschikon.

Markus Heusser leistet bereits seit 25 Jahren Winterdienst für die Gemeinde. Zu seinen Routen gehören diverse Neben- und Quartierstrassen in Bertschikon, in Gossau Dorf, Ottikon und Richtung Hanfgarten bis zur Gemeindegrenze Grüningen.

Winterdienst in 3. Generation

Um die Route in Bertschikon kümmert sich jeweils sein Bruder Simon. Eigentlich sind die Heussers eine richtige Winterdienst-Familie. Denn vor den Brüdern waren schon der Vater Rolf und Grossvater Paul mit dem Pfadschlitten unterwegs. Markus erinnert sich noch gut an die Erzählung seines Grossvaters. 1953 kam der damalige Gemeindepräsident von Gossau bei den Heussers vorbei und soll zu Paul gesagt haben: «So Paul, nächsten Winter musst du pfaden.» Denn sie waren damals eine der wenigen Bauernfamilien, die einen Traktor hatten, mit dem man auch Schnee pflügen konnte. Es war ein KJ4 Bührer-Traktor.

Der neue KJ4 Bührer-Traktor der Familie Heusser mit Schneepflug (1953). Bild: Familie Heusser

Pikett bringt ihn nicht aus der Ruhe

Auf die Frage, ob ihm das frühe Aufstehen keine Mühe mache, sagt Markus salopp: «Ich bin noch so aufgewachsen, dass man nicht immer auf alles Lust haben muss.» Würde alles nach dem Lustprinzip gehen, würde vieles in der Gesellschaft nicht funktionieren. Auch nach 25 Jahren stört es ihn darum nicht, wenn Rolf Zahnd um nachtschlafende Zeit wie neulich um 03:20 Uhr anruft und ihn aufbietet. Auch überraschen ihn die Anrufe heute nur noch sehr selten. Als Landwirt hat Markus, der seinen Hof gemeinsam mit seiner Frau Debora betreibt, das Wetter sowieso im Auge und kann mittlerweile gut einschätzen, ob ein Einsatz nötig wird. «Ich schlafe deswegen trotzdem gut», sagt er mit einem Schmunzeln.

«Die Ruhe ist am Schönsten»

Seinen Einsätzen, die jeweils ca. vier Stunden dauern, kann der 45-Jährige durchaus etwas Positives abgewinnen: «Wenn alles noch ruhig ist und  man bis auf ein paar Tierspuren nichts auf dem frischen Schnee sieht, ist es am Schönsten», sagt der Familienvater. Auch dass der Schnee nie gleich sei und es sich jedes Mal anders anfühle, darauf zu fahren, fasziniere ihn.

Vater Rolf Heusser im Winterdienst, Januar 1982. Bild: Familie Heusser

Auf «Wintertour» mit Papi

Vom Schneepfaden waren auch seine Kinder begeistert. Alle drei – mittlerweile 12, 14 und 15 Jahre jung – begleiteten ihren Vater immer gerne auf «Wintertour» und haben am Vorabend teils darum gestritten, wenn eines ausnahmsweise wieder einmal mitdurfte. «Einmal machte unsere Tochter am Abend ihre Schulsachen parat und sagte ganz ernst, dass ich sie unbedingt wecken müsse, wenn der Anruf komme. So nahm ich sie mit und brachte sie direkt von der Tour mit dem Traktor zur Schule.»

Abstand und etwas Geduld

So ein Winterdienst ist aber alles andere als nur Spass und vor allem mental eine anspruchsvolle Arbeit. «Der Verkehr hat gegenüber früher stark zugenommen. Man muss sich sehr konzentrieren und aufpassen, dass man beim Wegschieben des Schnees oder Rangieren nichts kaputt macht». Manchmal sei es auch nervig, gibt er offen zu. Zum Beispiel dann, wenn mit dem Morgenverkehr auch ungeduldige Automobilisten oder unachtsame Fussgänger unterwegs sind.

«Viele Autofahrer sind sich des längeren Bremswegs auf schneebedeckten Strassen nicht bewusst und bremsen viel zu spät.» Das führe immer mal wieder zu brenzligen Situationen. Da wünscht er sich mehr vorausschauendes Fahren und Rücksichtnahme. «Dieses ‹noch schnell› Reinfahren, noch kurz vor dem Pflug über die Strasse Springen oder auch die waghalsigen Überholmanöver sind wirklich gefährlich.»

«Beim Schneeräumen müssen wir auch auf parkierte Autos, Absätze und Hydranten achten. Das braucht einfach Zeit.»
Markus Heusser

Auf die Frage, was er sich von den Automobilisten wünscht, sagt Markus klar: «Früher bremsen und den Schneefahrzeugen Platz und vor allem Zeit lassen, damit sie gut rangieren können.» Denn für Wende- und Rangiermanöver mit Winterdienstfahrzeugen brauche es Platz – und ein paar  Sekunden mehr Zeit. Er könne den Schnee nun mal nicht wegzaubern und auch nicht mitnehmen.

Beim Wenden oder Beiseiteschieben der Schneemassen müsse man zudem vorsichtig vorgehen, um keine parkierten Autos, schneeverdeckten Absätze oder Hydranten zu erwischen oder sein eigenes Fahrzeug zu beschädigen. Wenn dann «gedrückt» oder gar gehupt werde, nerve ihn das schon ab und zu. Für die aber, die unschöne Handzeichen machen, hat er höchstens ein müdes Lächeln übrig. Da freut er sich lieber über die schönen Zeichen jener, die ihm dankend zuwinken oder ihn spontan mit einem kleinen Präsent zu Weihnachten überraschen.

4. Generation in den Startlöchern

Auf die Zusammenarbeit mit der Gemeinde angesprochen, meint Markus Heusser: «Die Zusammenarbeit mit Rolf Zahnd und seinem Team ist  unkompliziert und partnerschaftlich. » Rolf Zahnd sagt im Gegenzug über die Arbeit seiner Werkhofmitarbeitenden und der externen Partner: «Ich  habe ein motiviertes Werkhofteam, und auf die Selbstfahrer kann ich mich jederzeit verlassen.»

So darf man hoffen, dass Markus Heusser und auch die anderen noch lange weitermachen. Markus Heusser zumindest hat für den Moment noch nicht vor, damit aufzuhören und nimmt’s vorzu. Eine potenzielle Nachfolge ist aber schon da: Sein 14-jähriger Sohn hat kürzlich die Traktorenprüfung gemacht und auch bereits den G40-Kurs in der Tasche. Ihm und allen anderen Winterdienst-Leistenden in Gossau ZH und anderswo gilt nicht nur Dank, sondern auch der gebührende Respekt. Und wer weiss, vielleicht erinnern wir uns beim nächsten Mal daran, wenn wir einer Pfaderin oder einem Pfader auf der Strasse begegnen, dass es nicht mehr braucht als ein bisschen Abstand. Und ein paar Sekunden unserer Zeit.

Beim Blick aus der Fahrerkabine werden einem die Dimensionen bewusst und wie anspruchsvoll die Arbeit sein muss. Bild: Barbara Tudor

Über den Winterdienst in Gossau ZH

Die Winterdienst-Organisation läuft vom 1. November bis 31. März. In erster Priorität werden die Strassen mit öffentlichem Verkehr, Industrie- und steile Strassen möglichst schwarzgeräumt, in zweiter Priorität Quartierstrassen sowie wichtige Verbindungsstrassen ausserorts mit reduziertem Winterdienst. Dritte Priorität haben untergeordnete und flache Strassen mit wenig Verkehr.

Sobald die Strassen einigermassen geräumt sind, werden die Gehwege vom Schnee freigelegt. Anschliessend werden lokale Zufahrten geräumt. Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, auf privaten Strassen Winterdienst zu leisten.

Im Normalfall bietet der Einsatzleiter die Pikett-Leute nach einer Kontrollfahrt zwischen 2:00 und 3:00 Uhr für den Einsatz auf. Ein Salzeinsatz dauert ca. 2 Stunden, eine Tour mit Schneeräumung zwischen 4 bis 5 Stunden.

Der durchschnittliche Salzverbrauch der letzten Jahre in der Gemeinde Gossau ZH beträgt 82 Tonnen. Im Jahr 2021 waren es 129 Tonnen.

Quelle: Gemeinde Gossau ZH

Barbara Tudor