Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Kanton
02.12.2025

Zürcher Industrie setzt auf grüne Zukunft

Gäste und Expertinnen beim Anlass «Industrie im Dialog» in den Zürcher Werkhallen von Everllence diskutieren über die Energiewende und die Rolle der Industrie.
Gäste und Expertinnen beim Anlass «Industrie im Dialog» in den Zürcher Werkhallen von Everllence diskutieren über die Energiewende und die Rolle der Industrie. Bild: Kanton Zürich
Bei «Industrie im Dialog» am 13. November diskutierten Politik, Industrie und Forschung in den Zürcher Werkhallen von Everllence über die Folgen der Energiewende für Unternehmen und Wege, den Wandel aktiv zu gestalten.

«Nachhaltigkeit ist für Unternehmen heute kein zusätzliches Thema mehr, sondern ein Wettbewerbsvorteil, der ökologisch und ökonomisch Gewinne bringt», sagte Patrik Meli. Der Managing Director von Everllence machte damit klar: Die Energiewende ist nicht bloss das Ergebnis von Klimapolitik, sondern wird auch von der Industrie vorangetrieben – weil es sich lohnt.

Nachhaltiges Energiesystem

Everllence (früher: MAN Energy Solutions) versteht sich als treibende Kraft dieses Wandels. Das Unternehmen liefert technologische Lösungen, auf die ein nachhaltiges Energiesystem angewiesen ist: Kompressoren werden heute nicht nur für die Öl- und Gasindustrie gebaut, sondern zunehmend auch für Grosswärmepumpen entwickelt. Angesichts des technologischen Fortschritts, der unter anderem den Boom von Wärmepumpen ermöglichte, stellte Martin Neukom, Präsident des Zürcher Regierungsrats, fest: «Die Voraussetzungen für den Klimaschutz waren noch nie so gut wie heute.»

Gleichzeitig warnte er jedoch davor, dass Europa den Anschluss zu verlieren drohe: China installiere jedes Jahr so viele Solarpanels und Windräder wie der Rest der Welt zusammen. «Europas Wirtschaft wird nicht als Industriemuseum des 20. Jahrhunderts überleben», gab Neukom zu Bedenken. Deshalb müssten Industrie, Politik und Gesellschaft mit vereinten Kräften Innovationen zur Dekarbonisierung vorantreiben.

Flexibilität als Schlüssel für Stabilität

Der Experte für Energiesysteme Martin Wietschel, Professor am Fraunhofer-Institut, betonte, dass sich Europa in der Energiewende auf strategische Felder fokussieren müsste: «Wir können nicht mehr alle Technologien gleichermassen fördern, denn Europa ist relativ teuer.»

Wietschel sprach über das Stromsystem der Zukunft und zeigte auf, dass der steigende Energiebedarf, mehr Energieeffizienz und flexible Stromnutzung erfordert. Klar sei: «In ein System mit vielen Erneuerbaren passen Grundlastkraftwerke nicht mehr.» Es werde sich nicht mehr lohnen, solche Kraftwerke als Lückenschliesser für fehlenden Solarstrom im Winter zu betreiben. Ein nachhaltiges Energiesystem funktioniere aber dann, wenn das Zusammenspiel von Erneuerbaren und Energiespeichern auf grösstmöglicher Flexibilität beruht – sowohl Produktion, als auch Verbrauch.

Anastasia Stamatiou, Professorin für thermische Energiespeicher, erklärt die Bedeutung von Wärmespeichern für ein flexibles Energiesystem. Bild: Kanton Zürich

Wärmespeicher müssen sich noch etablieren

In puncto Systemflexibilität gibt es allerdings noch Luft nach oben, wie Anastasia Stamatiou, Professorin für thermische Energiespeicher an der Hochschule Luzern betonte. Obwohl Wärme 50 Prozent des Energieverbrauchs ausmacht, werde sie in Speicherstrategien oft vergessen: «Viel zu häufig wird Energiespeicher als Synonym für Batteriespeicher benutzt.»

Dabei existieren bereits heute kostengünstige Systeme, die flexibel Wärme bereitstellen: In Dänemark zum Beispiel unterstützen Grubenspeicher – gut isolierte Wasserbecken – das Fernwärmenetz. Und dezentral installierte Latentwärmespeicher sind eine kostengünstige Möglichkeit für einzelne Verbrauchende, um Erneuerbare Energien flexibel zu nutzen.

Dieses Modell bietet insbesondere für die Industrie enormes Potenzial: Prozesswärme ist für rund 8 Prozent der Schweizer Treibhausgasemissionen verantwortlich. In Kombination mit Hochtemperatur-Wärmepumpen und elektrischen Heizelementen, könnten Wärmespeicher einen grossen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten, erklärte Stamatiou: «Thermische Energie kann das Stromnetz entlasten, indem sie erzeugt und gespeichert wird, wenn Strom günstig ist.»

Markus Müller, Co-Leiter der Standortförderung Zürich, spricht über die Bedeutung nachhaltiger Energie für die Ansiedlung von Unternehmen. Bild: Kanton Zürich

Nachhaltigkeit als Standortvorteil

Patrik Meli von Everllence bestätigt, dass es in der Industrie im Bereich Wärme noch Nachholbedarf gibt: «Wir prüfen, wie wir die Wärme, die wir erzeugen, nicht nur an die Umwelt abgeben, sondern auch nutzen können.»

Trotz einfacher und günstiger Technologie haben es Wärmespeicher indes schwer, sich zu etablieren, wie Anastasia Stamatiou betonte. «Es würde nicht schaden, wenn der Gaspreis höher wäre.» Das bestätigt auch Systemspezialist Martin Wietschel: «Erst ein ausreichend hoher CO₂-Preis verschafft alternativen Energiespeichern eine echte Chance gegenüber konventionellen Gasspeichern.»

Dass Nachhaltigkeit über die unmittelbare Ökonomie hinauswirkt, betonte Markus Müller, Co-Leiter der Standortförderung Zürich: «Firmen interessieren sich zunehmend für die Verfügbarkeit von nachhaltiger Energie, um ihre eigenen Klimaziele zu erfüllen.» Energie ist damit zu einem wichtigen Argument geworden, wenn es um die Frage der Firmenansiedlung geht. Und Müller ist überzeugt: «In Kombination mit klugen Köpfen, die smarte Technologien entwickeln, bieten wir in Zürich ein starkes Ökosystem.»

Zürioberland24/gg
Demnächst